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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zurückzubleiben.
    Alan wartete im Licht seines Öllämpchens, bis die Schritte verklungen, die Fackeln zu Lichtpunkten geworden und schließlich ganz verschwunden waren. Dann fragte er über die Schulter: »Hat der Stein Euch verletzt?«
    Ruben trat aus dem Schatten der Toreinfahrt, die blanke Klinge in der Hand. »Nein. Er traf eine meiner besser gepolsterten Partien.« Er grinste matt, aber sein Gesicht war bleich. Jedenfalls schien es im schwachen Licht so. Er blieb vor Alan stehen und sah ihn an. »Das war knapp.«
    Der jüngere Mann winkte ab. »Ich hab’s schon knapper erlebt.«
    »Das glaub ich aufs Wort. Trotzdem. Ihr habt Euer Leben für uns aufs Spiel gesetzt, und ich habe noch nie erlebt, dass ein Goj das tut. Am Ende seid Ihr gar keiner, he? Ihr habt so klug gehandelt und allein mit Eurem Kopf eine Schlacht gewonnen. Man könnte Euch beinah für einen Juden halten, Alan of Helmsby.«
    Alan, der den Schlüssel gehütet hatte, sperrte das Tor auf. »Erzählt das Eurem Bruder«, schlug er vor.
    Ruben lachte in sich hinein und führte ihn zu seinem Kontor. »Ich weiß nicht, wie’s Euch geht, aber ich kann jetzt einen Schluck vertragen. Zwischendurch habe ich gedacht, Anselm de Burgh bekommt seinen Willen und sie gehen mit ihren Knüppeln auf Euch los.«
    Dann wären wir jetzt beide tot, wusste Alan. Ruben hatte sich sozusagen als stille Reserve im Schatten verborgen, um Alan zur Seite zu springen, wenn es zum Äußersten kam, aber auch mit dem Tor im Rücken hätten sie so viele Gegner nicht abwehren können. Alan nahm den Weinbecher, den Ruben ihm reichte, und trank durstig. »Nicht alle Gottesmänner sind wie Vater Anselm«, sagte er dann. »Er macht der Kirche keine Ehre, aber sie hat viele gute Männer, die klug und weise und gütig sind.«
    »Oh, ich weiß«, versicherte Ruben. »Und entschuldigt Euch nicht, Alan. Das habt Ihr nicht nötig.«
    Der jüngere Mann nickte, leerte den Becher und stellte ihn auf den Tisch. »Ich werde gehen und Eure Familie zurückholen. Je eher wir sie beruhigen können, desto besser.«
    »Da habt Ihr recht. Aber ich gehe. Wie Ihr selber so weise bemerkt habt, ist es gesünder, wenn Ihr Euch auf der Burg nicht blicken lasst. Und vielleicht wäre es gut, wenn Ihr morgen aus Norwich verschwindet, denn bei Sonnenuntergang wird sich auch bis dort oben herumgesprochen haben, dass Alan of Helmsby in der Stadt ist.«
    Der winkte ungeduldig ab. »Mag sein. Aber ich werde mir die Chance nicht entgehen lassen, einen Blick auf diese Burg zu werfen, ganz gleich, was Ihr sagt.«
    Schließlich machten sie sich zusammen auf den Weg.
    Norwich Castle stand wie ein riesiger weißer Würfel auf der Motte – dem einzigen Hügel weit und breit – am östlichen Stadtrand. Sage und schreibe drei Palisadenzäune und Gräben umgaben den steinernen Bergfried, und jedes der drei Torhäuser war gut bewacht. Aber Alan und Ruben wurden anstandslos durchgelassen, und die Wache am letzten Tor führte sie artig die hölzerne Außentreppe des Bergfrieds hinauf in den Vorraum der großen Halle und bat sie, dort zu warten.
    Die beiden Ankömmlinge verschmähten die steinerne, mit Kissen gepolsterte Bank entlang der Wand des Warteraums, und es dauerte auch nicht lange, bis die Wache zurückkehrte. »Folgt mir, Monseigneurs«, bat der junge normannische Soldat respektvoll und führte sie durch einen reich verzierten Torbogen in die Halle. Wie in Alans eigener Burg standen auch hier lange Tische zu einem Hufeisen aufgestellt, nur war dieser Raum mindestens dreimal so groß und doppelt so hoch wie seine Halle in Helmsby, die ihm mit einem Mal höchst bescheiden erschien. Fackeln steckten in Halterungen entlang der Wände. Es gab keinen Kamin, aber eine Feuerstelle in der Saalmitte. Der Rauch stieg in die Dunkelheit der immens hohen Decke empor, wo er niemanden störte, und verzog sich dort vermutlich durch irgendwelche Scharten oder die engen Wendeltreppen in den Ecktürmen. Hier und da hockten Ritter und ein paar Damen, Soldaten, Mägde und Knechte an den Tischen und aßen – ein gutes Stück entfernt von den vielleicht zwanzig Juden, die auf der Burg Zuflucht gesucht hatten und an der rechten Tafel saßen.
    Josua und die Seinen erhoben sich, als sie die Ankömmlinge entdeckten, aber ehe diese sie erreicht hatten, fiel eine Hand schwer auf Alans Arm und schleuderte ihn herum. »Helmsby!«
    Alan fand sich Auge in Auge mit einem untersetzten Mann in dunklen Kleidern, dessen silbergraue Locken schütter

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