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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und Kälte barfuß trotzen, und Oswald hatte sich einen dicken Splitter in die linke Fußsohle getreten.
    »Wohl dem, der noch ein Heim hat«, bemerkte Luke bitter. Er war ein unfreier Pächter der Brüder von St. Pancras gewesen, ehe die Schlange sich in seinem Bauch eingenistet hatte, und konnte darum nicht hoffen, auf seine Scholle zurückzukehren.
    »Und wohl dem, der noch weiß, wo sein Heim ist«, warf Regy ein und schenkte Losian ein boshaftes Lächeln.
    Eine Woche war seit der Sturmflut vergangen, und seither lebten die acht Überlebenden auf der Isle of Whitholm zusammen in der Ruine des Burgturms. Die meiste Zeit hatte Regy sich in bemerkenswerter Zurückhaltung geübt, aber seine ständige Gegenwart war eine Bürde für die anderen.
    »Wohl dem, der hier nicht angekettet zurückbleiben muss«, entgegnete Simon wütend.
    »Die Frage, was geschieht, wenn wir gehen, scheint mir weniger drängend als die, was geschieht, wenn wir bleiben«, sagte Losian versonnen. »In einem Punkt hat Simon völlig recht: Mit jedem Tag, der verstreicht, steigt die Gefahr, dass die Mönche herüberkommen und uns wieder einpferchen.«
    »Dann bekämen wir wenigstens wieder etwas zu essen«, warf Luke ein.
    »Richtig. Vielleicht wüssten sie sogar Rat, wie man den Brunnen entsalzen kann. Aber mit den Jagdausflügen und Streifzügen in den Wald wäre es vorbei, und wir würden wieder das erbärmliche Dasein fristen, das wir zur Genüge kennen. Und wenn die Brüder nicht kommen, werden wir verdursten. Es hat seit zwei Tagen nicht geregnet, und morgen ist unser magerer Wasservorrat verbraucht. Bis auf den ekligen stehenden Tümpel haben wir im Wald kein Wasser gefunden, und wir hätten nicht einmal Gefäße, um es hierherzubringen. Wir haben keine Schuhe und kaum noch Decken.« Er breitete kurz die Hände aus. »Unsere Chancen stehen nicht gut.«
    »Aber du hast selbst gesagt, dass es Selbstmord wäre, zu versuchen, zum Festland zu kommen«, wandte Luke ein. Er wollte nicht von hier fort, wusste Simon. Genau wie Oswald. Sie alle fürchteten sich vor dem Meer und der Ungewissheit am anderen Ufer, aber Luke und Oswald erfüllte die Vorstellung mit etwas, das Ähnlichkeit mit Entsetzen hatte. Oswald schien keine Erinnerung an die Welt außerhalb dieser Insel zu haben, und weil er nichts vermisste, war er glücklich hier, solange er nicht gar zu bitterlich fror oder hungerte. Luke hingegen wusste noch genau, wie es dort drüben auf dem Festland zuging, und darum wusste er auch, dass er dort keinen Platz finden würde, der so sicher war wie dieser.
    »Wulfric, Godric und ich haben begonnen, ein Floß zu bauen«, erklärte Simon. »Die Palisaden eignen sich hervorragend dafür, und wir haben sie mit Weidenzweigen und geflochtenen Schilfseilen zusammengebunden. Gestern haben die Zwillinge die beiden Schemel aus der Hütte im Wald geholt, und aus den Sitzflächen und zwei Ästen haben sie Paddel gebaut.«
    »Werden sie halten?«, fragte Losian.
    »Ich schätze schon«, antwortete Wulfric mit unverhohlenem Stolz. »Wir haben die Astenden gesplissen, die Schemelbretter dazwischengesteckt und mit Harz verleimt. Das hält, ich bin sicher. Aber wir werden sie ausprobieren, ehe wir auf große Fahrt gehen.«
    Losian nickte. Er schien zufrieden. »Wir müssen es bei Flut versuchen, damit die Strömung uns nicht auf die offene See hinauszieht. Wann wird das Floß fertig?«
    Er schaute die Zwillinge an, aber es war Simon, der antwortete: »Morgen.«
    Losian betrachtete ihn. »Und was hast du für Pläne, falls wir es schaffen?«
    Ich gehe nach Hause, was sonst, dachte Simon, doch er sagte: »Ich stehle oder erbettele mir ein Stück Brot und esse es in aller Seelenruhe. Mit geschlossenen Augen. Nichts soll mich von dem Geschmack ablenken.«
    »Das ist ein hervorragender Plan«, räumte Losian ein. »Ich glaube, ich schließe mich an. Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich noch weiß, wie richtiges Brot schmeckt.«
    Simon war erleichtert, dass Losian nicht darauf bestand, ihm seine Absichten zu entlocken. Hier auf dieser unwirtlichen Insel und unter all diesen seltsamen Vögeln hatte er sich Losians Herrschaft zähneknirschend unterworfen, weil er weiterleben wollte. Aber er war Simon de Clare. Sobald dieser Albtraum vorüber und er in die wirkliche Welt zurückgekehrt war, würde er sein Leben selbst in die Hand nehmen.
    »Was wirst du tun, Losian?«, fragte King Edmund ernst.
    »Arbeiten, wenn ich kann, wildern, wenn ich muss«, bekam er zur Antwort.

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