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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Zwillinge zu. »Ich wälze mich am Boden wie ein Besessener, wenn es passiert, Godric, und meistens bepinkel ich mich dabei. Wenn ich Pech habe, kommt es noch schlimmer. Verstehst du? Es ist vollkommen … entwürdigend, und es kann in jedem Moment meines Lebens geschehen. Auf der Straße, mitten in der Schlacht, in dem Augenblick, da ich um die Hand einer Frau anhalte. Falls irgendein Vater mich je nähme. Oh doch, mein Gebrechen ist augenfällig, glaub mir. Und ich habe gespürt, welch eine Erlösung es ist, hier zu sein und zu wissen, dass niemand mich auslachen wird, wenn es passiert, mich beschimpft oder mit Tritten davonjagt. Aber deswegen können wir uns doch nicht hier verkriechen, obwohl Gott uns eine Tür geöffnet hat! Wie sollten wir uns denn noch selbst ertragen, wenn wir das täten?«
    Die Zwillinge hatten ihm schweigend gelauscht, ihre Mienen bekümmert und unsicher. Auch als er verstummte, fanden sie zur Abwechslung einmal nichts zu sagen.
    Simon fuhr leicht zusammen, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. »Du hast recht, mein Sohn«, sagte King Edmund begütigend. »Eine Tür hat sich uns geöffnet. Aber ob es Gott oder Satan war, der sie uns aufgetan hat, müssen wir noch herausfinden. Wir müssen beten und uns Gottes Wort öffnen, dann werden wir die Wahrheit erkennen, glaub mir.«
    Simon spürte seinen Zorn wie einen heißen Knoten im Bauch, aber er senkte scheinbar demütig den Kopf und nickte. Ein Disput mit King Edmund über Gott und Satan war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
    »Einstweilen lasst uns etwas Nützliches tun. Godric, Wulfric, ihr solltet weiter euer Glück mit dem Netz versuchen. Ich verspreche euch, ich bringe ein Feuer in Gang, um euren Fang zu braten, denn ich habe in den Trümmern des Küchenhauses Flint und Stahl gefunden, gelobt sei Jesus Christus. Aber wir brauchen ein Messer, um die Fische auszunehmen. Hier, Simon.« Er drückte ihm einen Felsbrocken in die Hand, der eine scharfe, abgesplitterte Kante hatte. »Sieh zu, ob du eine brauchbare Klinge daraus machen kannst.«
    »Ich soll einen Stein schärfen?«, fragte Simon ungläubig. »Aber das würde Wochen dauern.« Dieser Kerl ist eben doch völlig irre, dachte er.
    King Edmund nickte ungerührt. »Ein Grund mehr, auf der Stelle damit zu beginnen, denkst du nicht?«
    Als Losian bei Einbruch der frühen Dämmerung mit der Ricke auf den Schultern zurückkam, hasteten Oswald und die Zwillinge ihm entgegen, um ihm seine Last abzunehmen.
    Dagegen hatte er nichts. Eine Ricke wog nicht mehr als ein Kind, aber er war weit gewandert, erschöpft nach einer schlaflosen Nacht voller Schrecken, und er war ausgehungert.
    Oswald kniete sich in den Schlamm, zog die Ricke halb auf seinen Schoß, strich ihr über den blutbesudelten, eingedellten Kopf und weinte.
    Jesus, lehr mich Geduld, dachte Losian seufzend, packte den Jungen am Arm und zog ihn auf die Füße. »Geh und hilf King Edmund, Feuer zu machen.«
    Oswald nickte, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. »Armes Reh …«, murmelte er betrübt. »Armes, armes Reh.«
    Losian atmete tief durch. »Du hast recht. Und jetzt verschwinde.«
    Oswald trollte sich mit hängendem Kopf. Sobald er außer Hörweite war, fragte Wulfric: »Wie wollen wir sie ausnehmen? Simon versucht, einen Stein zu schärfen, aber ich weiß nicht, ob …«
    »Hier«, unterbrach Losian, und er konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verbeißen. »Schaut euch das an.« Er schob den Mantel über die Schulter zurück und enthüllte eine lederne Scheide mit einem Jagdmesser darin, die an seinem Gürtel hing.
    Die Zwillinge starrten sprachlos darauf hinab, und ihre Verblüffung hatte beinah etwas Komisches. »Woher in aller Welt hast du das?«, fragte Godric schließlich.
    Losian wies nach Osten. »Im Wald steht eine kleine, verfallene Jagdhütte. Das Messer hing an einem Haken an der Wand. Ansonsten gibt es dort nichts Brauchbares, fürchte ich, bis auf einen Tisch und zwei Schemel.«
    »Aber das Messer ist ein Segen«, befand Wulfric strahlend. »Ist es scharf?«
    Losian nickte. »Jetzt wieder.«
    »Großartig. Es löst gleich einen ganzen Haufen Probleme.«
    »Und schafft einen ganzen Haufen neuer, verlass dich drauf«, gab Losian trocken zurück. Darum hatte er beschlossen, es als sein Eigentum zu beanspruchen und niemals aus der Hand zu geben. Denn sollte es durch irgendeine Unachtsamkeit Oswald oder Luke oder – Gott bewahre – Regy in die Finger geraten, dann konnte es eine

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