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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Helmsby?«
    »Gelegentlich.«
    »Hm. Und Ihr habt den gleichen unbarmherzig klaren Blick für die Realitäten wie er.« Er klopfte Simon kurz die Schulter. »Helmsby hat leider recht, mein Junge. Tutbury muss fallen, bevor wir nach Wallingford ziehen können. Aber wir sollten uns beeilen.«
    Henry trank einen kleinen Schluck und stellte seinen Becher dann entschlossen auf dem Tisch ab. »Also? Worauf warten wir?«
    Tutbury fiel, und während der Belagerung schloss sich auch noch der mächtige Earl of Derby Henrys Truppen an. Weder während ihres Siegeszugs durch die Midlands noch auf dem Marsch nach Süden sahen oder hörten sie das Geringste von König Stephen oder Eustache, da der wankelmütige Earl of Norfolk sich offenbar plötzlich auch entschlossen hatte, sich lieber auf Henrys Seite zu schlagen, und den König im Südwesten allenthalben in Scharmützel verwickelte, um Stephen daran zu hindern, dorthin zu eilen, wo es wirklich brannte.
    Die Leichtigkeit, mit der ihnen eine Burg und eine Stadt nach der anderen in die Hände fielen, wurde Simon allmählich unheimlich, wenngleich er genau wusste, was die Gründe waren: Henry war ein hervorragender Soldat und Feldherr, und die Bravur, mit der er im vergangenen Jahr den König von Frankreich und seinen jüngeren Bruder Geoffrey auf dem Kontinent besiegt und aus seinem Herrschaftsgebiet gejagt hatte, hatte ihm Ruhm eingetragen. Nicht nur fürchteten ihn die englischen Lords, die noch auf Stephens Seite standen, sondern ebenso wussten sie, dass Henry würdig war, die Krone zu tragen. Dass dies ein Mann war, der England Frieden und Ordnung zurückbringen konnte. Und vor die Wahl gestellt, ihre Zukunft in seine Hände zu legen oder ihr Glück mit Eustache zu versuchen, fiel ihnen die Entscheidung denkbar leicht. Simon beobachtete mit Befriedigung, dass große, mächtige Männer wie der Earl of Leicester zu Henry kamen und ihm binnen kürzester Zeit aus der Hand fraßen. Voller Vorbehalte und Zweifel traten sie vor ihn, denn sie hielten seine Mutter für eine herrschsüchtige Furie und seinen Vater für einen wilden Raubritter, aber Henry musste nur einen Becher Wein mit ihnen leeren, schon waren die Zweifel zerstreut, und selbst jene, die doppelt so alt waren wie der junge Herzog, begegneten ihm mit Ergebenheit ebenso wie Bewunderung.
    So gelangten sie an einem schwülheißen Sommerabend im Juli endlich mit beinah dreitausend Mann nach Wallingford.
    »Sieht alles noch so aus wie letztes Jahr«, befand Wulfric.
    »Hm«, machte sein Bruder. »Nur unsere Scheune ist abgefackelt.«
    Das Dorf wirkte vielleicht noch eine Spur ausgestorbener, und tatsächlich war das Gehöft, wo sie sich und ihre Vorratssäcke damals versteckt gehalten hatten, ein Raub der Flammen geworden. Vielleicht ein Blitzschlag, dachte Simon. Oder vielleicht hatte Eustache in seinem Zorn befohlen, es niederzubrennen. Es spielte keine Rolle. Die Menschen, deren Heim und Lebensgrundlage dieser Hof einmal gewesen war, waren längst entschwunden, vor den Kämpfen geflohen, verhungert oder erschlagen – wer konnte es wissen?
    Henry saß im Sattel und ließ den Blick über die von Einschlägen und Bränden beschädigte Palisade von Wallingford schweifen, über den Belagerungsring und die Burg auf der anderen Flussseite. Alles lag wie ausgestorben da. Eine Krähe thronte hoch oben auf dem senkrechten Wurfarm der Trebuchet; die kleineren Belagerungsmaschinen waren verschwunden. Innerhalb des Belagerungsrings war das Gras zertrampelt, die Erde schlammig, aber die umliegenden Weiden waren grün und üppig und mit dem Gelb, Rot und Blau von Wiesenblumen betupft. Ein paar Schafe grasten friedlich.
    »Was zum Henker hat das zu bedeuten?«, fragte Henry irritiert. »Ich komme zur Entscheidungsschlacht, und weit und breit ist keine Menschenseele zu entdecken?«
    »Sei versichert, sie sind hier«, entgegnete Alan. »Aber ihre Späher haben von unserem Anrücken berichtet, darum hat Richard de Clare sich verschanzt und wartet auf Stephen und Eustache.«
    »Die sich wieder einmal Zeit lassen«, höhnte Gloucester.
    »Ja. Oder sie sind bereits hier, und der Burghof von Crowmarsh wimmelt von ihren Soldaten, die nur darauf warten, dass wir die Brücke stürmen«, überlegte Alan halblaut.
    »Wir wüssten es, wenn Stephen nach Wallingford gezogen wäre«, widersprach Simon.
    Alan nickte. »Wahrscheinlich, ja.«
    Henry hob unbekümmert die Schultern. »Es gibt wohl nur einen Weg, das herauszufinden. Simon, nimm fünfzig

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