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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und nahm dann den Helm vom Kopf. Er drückte ihn Godric in die Hand, löste den Schwertgürtel und nahm den Schild vom Rücken, die er Wulfric anvertraute.
    Henry war auf die Füße gekommen, hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen und verfolgte seine Bewegungen mit grimmiger Miene. »Ein bisschen schneller, wenn’s recht ist.«
    »Simon, könntest du …?«, bat Alan, und Simon trat zu ihm und half ihm aus dem Kettenpanzer. Er wollte sich damit zum Ausgang wenden, aber Alan sagte: »Warte.« Geschickt löste er die Knoten der Kordeln, die den Gambeson verschlossen, streifte das schützende Gewand ab und drückte es ihm ebenfalls in die Hände. Dann drehte er sich zu Henry um und breitete einladend die Arme aus. »Bitte.«
    Mit einem Wutschrei stürzte Henry sich auf ihn. Alan wich ihm mit beleidigender Gemächlichkeit aus und stellte ihm ein Bein, sodass der rechtmäßige englische Thronerbe ohne alle Grazie auf dem Bauch landete. Sofort sprang er wieder auf, fuhr herum und schwang die Fäuste. Dieses Mal hatte er mehr Glück: Zumindest streifte er Alans Jochbein mit der Rechten. Dann erwischte ihn dessen Faust genau auf dem Brustbein, und Henry wankte zurück und rang japsend um Atem.
    »Lasst uns gehen«, raunte Simon den Zwillingen zu.
    Doch Godric und Wulfric verfolgten das Geschehen mit leuchtenden Augen. »Geh nur«, sagte Letzterer grinsend. »Aber ohne uns.«
    Simon verdrehte ungeduldig die Augen, sah sich suchend nach einem Platz um, wo er Alans Rüstung und Kleider ablegen konnte, und warf sie schließlich achtlos durch den Zelteingang in den Schneeregen hinaus. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und schaute zu.
    Anfangs sah es übel für Henry aus, der einfach immer zu langsam war und ein halbes Dutzend gut platzierter Fausthiebe eingesteckt hatte, ehe er selbst zum ersten Mal richtig zum Zuge kam und Alans linkes Auge erwischte. Die Braue platzte auf, Blut lief ihm ins Auge und trübte seine Sicht, sodass Henry für einige Augenblicke den Vorteil errang. Krachend landete Alan rücklings auf der Reisetruhe, die ein Stück rutschte und einen den hölzernen Zeltpfosten rammte, der aus dem Lot geriet und zerbrach. Ehe Alan sich wieder hochrappeln konnte, krallten Henrys Fäuste sich in sein Gewand und schleuderten ihn nach links, wo der wacklige Tisch zu Bruch ging und das Öllicht herunterpurzelte.
    Alan war auf den Füßen, ehe Henry ihn wieder erreichte, ließ ihn auf sein Knie auflaufen, rammte ihm die Linke in die Rippen und die Rechte unters Kinn, und dann verkeilten sie sich ineinander, gingen zu Boden und rollten umher, wobei sie ihre Fäuste zum Einsatz brachten, wann immer sich die Möglichkeit bot.
    »Ähm, Henry, Alan … Das Zelt brennt«, teilte Simon ihnen schließlich mit. »Denkt ihr nicht, es reicht bald?«
    Sie schienen ihn überhaupt nicht zu hören. Mit unverminderter Wut prügelten sie aufeinander ein, und sie waren weiß Gott nicht zimperlich. Irgendwann hatte jeder eine Hälfte des zerbrochenen Zeltpfostens in Händen, die sie wie Knüppel einsetzten und die mit einem widerwärtigen satten Klatschen auf dem Körper des Gegners landeten.
    Das zu Boden gefallene Öllicht hatte die Zeltwand in Brand gesteckt, die zuerst nur lustlos schwelte, weil sie nass geregnet war, aber allmählich breitete die schwarz verkohlte Fläche sich aus, und dann züngelten Flammen an ihren Rändern, die schnell zum Zeltdach hinaufkletterten.
    Als Nächstes flog auch das Kohlebecken quer durchs Zelt, und als ein zweiter Brandherd sich unmittelbar neben der Reisetruhe ausbreitete – die wichtige Schriftstücke enthielt –, winkte Simon die Zwillinge zu sich, und sie trugen die große Truhe ins Freie.
    Draußen hatte sich inzwischen eine Menschentraube gebildet, angelockt durch die Geräusche von zuschlagenden Fäusten und berstendem Mobiliar, die die Zeltbahnen natürlich kaum dämpften.
    »Alles in Ordnung da drin, Simon?«, fragte Jerome de Jargeau, der junge Marschall des Herzogs.
    »Er wird ein neues Zelt brauchen«, gab Simon achselzuckend zurück. »Ansonsten ist alles in Ordnung, schätze ich. Sie haben jede Menge Spaß.«
    Wieder hörten sie einen Zeltpfosten splittern, und das brennende Dach sackte bedenklich in sich zusammen.
    »Wenn sie beide verkohlen, ist der Spaß zu Ende«, bemerkte Jerome eine Spur nervös.
    »Da hat er recht«, befand Godric, und die Zwillinge gingen davon und kehrten in Windeseile mit zwei Eimern Wasser zurück. Sie begleiteten Simon ins Innere des Zeltes.

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