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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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solchen Gemetzels ihnen erspart bleiben sollte?
    »Und wozu genau habt Ihr Eure Engländer hergeführt, wenn nicht zu dem Zweck, die meinen zu erschlagen?«, höhnte Henry.
    Er ist wütend, erkannte Alan. Er konnte auch verstehen, dass sein junger Cousin das Gefühl hatte, hier werde ein derbes Spiel mit ihm getrieben, aber Henry musste Stephen die Gelegenheit geben, sein Gesicht zu wahren und zu sagen, was immer er zu sagen hatte. Während Alan noch mit sich rang, ob er eingreifen sollte, bat Becket: »Euer Gnaden, ich ersuche Euch inständig – auch im Namen des Erzbischofs, der Euch wohlgesinnt ist, wie Ihr wisst −, hört Euch an, was der König zu sagen hat.«
    Henry stieß hörbar die Luft aus und starrte einen Moment auf den Widerrist seines Pferdes. Dann blickte er Stephen wieder an und nickte.
    Der König richtete sich auf und verschränkte die Hände auf dem Sattelknauf. »Ich habe meine Armee hierhergeführt, um Euch zu vergegenwärtigen, dass ich aus einer Position der Stärke mit Euch verhandele. Und hättet Ihr tausend Männer weniger, hätte ich auch nicht gezögert, diese Schlacht zu schlagen, wie Prinz Eustache um jeden Preis wollte. Aber Gott hat es so gefügt, dass unsere Truppen gleich stark sind, Cousin Henry. Und mein Bruder«, er ruckte das Kinn fast unmerklich zum Bischof von Winchester hinüber, »versichert mir, dass Gott Euch und mir damit sagen will, es sei genug Blut geflossen.«
    »Besinnt Euch, mein Sohn«, bat Henry of Winchester eindringlich. Er sah dem König ähnlich, hatte die gleiche Adlernase und die wachen dunklen Augen. Doch sah man ihm an, dass er das bequeme Leben eines reichen Kirchenfürsten geführt hatte: Er war fett − ein Übel, mit dem viele Männer des normannischen Herrschergeschlechts geschlagen waren. »Besinnt Euch auf das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten . Legt die Waffen nieder.«
    »Und dann?«, fragte Henry verständnislos. »Ihr erwartet, dass ich das Unrecht vergesse, das meiner Mutter zugefügt wurde, und in die Normandie zurückkehre? Weil Ihr mich so nett darum bittet? Das könnt Ihr Euch aus dem Kopf schlagen, Cousin. Ich bin zuversichtlich, dass ich diese Schlacht gewinnen kann. Also, was bietet Ihr mir, um sie abzuwenden?«
    »Das, was Ihr so sehnlich begehrt«, antwortete Stephen mit einem Seufzen. »Meine Krone.«
    »Tja, Merlin. Da war ich erst einmal sprachlos«, bekannte Henry, ließ sich in den Sessel zurücksinken und breitete die Arme aus wie ein Gekreuzigter, um anzudeuten, wie König Stephens unerwartetes Angebot ihn erschüttert hatte.
    »Schade, dass ich nicht dabei war«, bemerkte Simon. »Ein einziges Mal im Leben hätte ich dich gern sprachlos gesehen.«
    Henry lachte in sich hinein, und die Augen, die durch die bescheidene Halle schweiften, leuchteten.
    In Wallingford Castle gab es schon wieder ein Fest, und zwar eines, wie die altehrwürdige Halle es lange nicht erlebt hatte: Weiße Laken bedeckten die Tafeln, die unter den Platten mit Fleisch und Brot zusammenzubrechen drohten. Unten im Hof wurden ganze Ochsen und Hammel am Spieß über großen Feuern gebraten, und mehrere Weinfässer, die in Henrys Tross mitgeführt wurden, waren hereingeschafft worden. Es war voll und laut in der Halle. Aus dem Augenwinkel sah Simon, dass Miles Beaumont und sein Vater, der Earl of Leicester, sich schon wieder in die Arme gesunken waren. Seit Stunden begingen sie ihr unverhofftes Wiedersehen.
    »Und was hast du also gesagt, nachdem du die Sprache wiedergefunden hattest?«, wollte Simon wissen.
    »›Warum?‹, habe ich ihn gefragt. ›Warum ausgerechnet jetzt?‹«
    Weil Ihr der Richtige seid , hatte der König erwidert, und man konnte ihm anhören, wie schwer ihm dieses Eingeständnis fiel. Das ist es, was Lords und Bischöfe in England glauben, Monseigneur. Und der Papst glaubt es auch. Ich bin zu alt, um die Augen vor den Realitäten zu verschließen. Gegen so viel Widerstand kann ich den Thronanspruch meines Sohnes nicht durchsetzen.
    »Aber was denn aus Eustache werden solle, hab ich ihn gefragt. Der König schlug vor, dass ich schnellstmöglich nach Winchester kommen solle, um dort mit ihm, seinem bischöflichen Bruder und dem Erzbischof von Canterbury die Einzelheiten auszuhandeln. Aber worauf es hinauslaufen wird, ist wohl dies: Stephen bleibt König von England und setzt mich als Erben ein. Eustache und sein jüngerer Bruder William werden mit großzügigen Ländereien in England und der Normandie entschädigt, und ich soll

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