Hiobs Brüder
Gefährliche Wochen lagen vor ihnen. Er zweifelte, dass Eustache de Boulogne die Entscheidung seines Vaters einfach tatenlos hinnehmen würde. Die Verhandlungen in Winchester bargen viele Tücken und mochten scheitern. Und das Wichtigste war jetzt, Henrys Leben zu schützen, denn nicht alle Lords in England, die sich während der langen Kriegsjahre Macht und Reichtümer angeeignet hatten, wollten einen starken, jungen König auf dem Thron, der sie in ihre Schranken wies.
Ein Geräusch von der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Alan blickte auf. »Vater Bertram?«
»Ich bin es.«
»Simon.«
»Ich dachte, ich bete ein bisschen mit dir, wenn du keine Einwände hast.«
Alan machte eine einladende Geste. »Natürlich nicht. Aber ich warne dich. Die Fliesen von Wallingford Chapel sind härter als alle, an die meine Knie sich erinnern.«
Unerschrocken kniete Simon sich einen Schritt von ihm entfernt vor den schmucklosen Altar. »Es dämmert«, bemerkte er und wies nach oben.
Hier brauchte man nicht aus dem Fenster zu schauen, um die Tageszeit in Erfahrung zu bringen, denn der Dachstuhl der Kapelle war schon letztes Jahr nach einem Angriff der Royalisten ausgebrannt, und Bruder Mark behauptete, es sei nur einem göttlichen Wunder zu verdanken, dass das kleine Gotteshaus nicht in sich zusammenfiel.
»Mein Hochzeitstag«, fügte Simon mit einem ungläubigen Kopfschütteln hinzu. »Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag kommt.«
Alan lächelte ihm zu. »Der Tag, an dem ich wieder die Kommunion empfangen darf. Dass er kommt, habe ich auch kaum noch zu hoffen gewagt.«
»Was ist nur los, Alan? Alles soll sich mit einem Mal zum Guten wenden? Das ist mir unheimlich.«
»Oh, sei unbesorgt. Der nächste Rückschlag wird nicht lange auf sich warten lassen«, beruhigte Alan ihn.
Philippa of Wallingford war eine hinreißend schöne Braut in einem unpassend zerschlissenen, vielfach geflickten Kleid, und als Simon vor der Tür der Kapelle zu ihr trat und ihre Hand nahm, schenkte sie ihm ein Lächeln, von dem man selbst auf zehn Schritt Entfernung weiche Knie bekommen konnte, befand Alan. Er beobachtete Simon mit Befriedigung und einem Stolz, auf den er keinerlei Anrecht hatte, wie er wusste.
»Mordskerl geworden, unser fallsüchtiges Bübchen, he«, raunte Wulfric ihm ins Ohr.
Er nickte, ohne sich umzuwenden. Simon war schon lange das, was Alans Großmutter gern »einen wahren Edelmann« genannt hatte, aber mit seiner Braut an der Hand – die pikanterweise sein Kind im Arm hielt – strahlte er ein neues Selbstvertrauen aus, und zumindest für den Moment war die Melancholie aus seinem Blick verschwunden.
»Ja. Ein Mordskerl«, murmelte Alan.
»Du wirst uns doch nicht rührselig, Losian?«, fragte Godric argwöhnisch.
»Unsinn.« Alan musste sich räuspern. »Ich dachte nur gerade, was für ein langer Weg es war von der Isle of Whitholm bis hierher.«
Vater Bertram war ein hochgebildeter Geistlicher, aber zum Glück kein sehr strenger Moralwächter. Sowohl in Rouen wie auch in Angers hatte er eine Geliebte, die ihm beide zuverlässig Jahr um Jahr einen kleinen Bastard schenkten. So kam es, dass Vater Bertram nach der Trauung an der Kirchentür im Innern des halb zerstörten Gotteshauses die Taufe der kleinen Maud vornahm, ohne mit der Wimper zu zucken. Lady Katherine, Alan und Henry fanden sich als Paten am Taufstein ein.
»Zwei männliche Paten und nur eine Dame?«, fragte Bertram. »Aber es ist ein Mädchen. Da macht man es eigentlich umgekehrt.«
Henry nickte. »Ich stehe hier stellvertretend für meine Gemahlin. Was denkt Ihr, Vater, geht das?«
Der Priester nickte und versteckte sein Grinsen hinter einem Kreuzzeichen. »Mir will scheinen, hier geht heute alles, Monseigneur.«
Wallingford, August 1153
Sie blieben einige Tage in Wallingford, weil Henry den mit Stephen vereinbarten Abriss von Crowmarsh Castle am anderen Themseufer persönlich überwachen wollte. Die Garnison der Burg war mit Stephen abgezogen. Richard de Clare war indes zu Henry gekommen und hatte ihn gebeten, ihn in seinen Dienst zu nehmen. Henry hatte eingewilligt, denn Simons Cousin war der Earl of Pembroke und somit ein mächtiger Mann in Wales und den Grenzmarken. »Aber vergeben kann ich ihm nicht und trauen erst recht nicht«, hatte er Simon und Alan nach der kurzen Unterredung anvertraut. »Ich habe ihn nach Hause geschickt. Da kann er von mir aus versauern.«
Er übertrug die Organisation des Abrisses Simon und den Zwillingen, denen es
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