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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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uns gerade, ob Stephen vergeblich auf Richard de Clare und die Besatzung von Crowmarsh wartet.«
    »Na und? Er hat auch ohne sie genügend Männer, um wenigstens schon mal anzufangen.«
    Alan nickte.
    »Jetzt tut sich irgendwas«, murmelte Ælfric.
    Einer der Männer löste sich aus der Gruppe, riss sein Pferd rüde herum und galoppierte zurück zur Vorhut, deren Männer hastig auseinanderstoben, um ihn durchzulassen. Ein weiterer Reiter setzte sich in Bewegung und trabte geradewegs auf Henrys Armee zu.
    Schweigend sahen sie ihm entgegen, und als er näher kam, sagte Henry verwundert: »Bei den Augen Gottes! Ist das nicht …« Er brach verwirrt ab.
    »Thomas Becket«, sagte Alan.
    »Was hat der Sekretarius des Erzbischofs von Canterbury bei Stephen zu suchen? Vor ein paar Wochen hat er mir noch beteuert, der Erzbischof träume davon, mir die englische Krone aufzusetzen.«
    Alan schwieg und nahm den Helm ab, damit Becket ihn erkennen konnte. Der ritt genau auf sie zu, hob die edel behandschuhte Rechte zum Gruß und hielt an. Vor Henry verneigte er sich: »König Stephen hat mich ersucht, Euch eine Nachricht zu überbringen, Euer Gnaden.«
    Auch Henry nahm den Helm ab und betrachtete den eleganten Kirchenmann einen Moment mit undurchschaubarer Miene. »Es muss eine verdammt schlechte Nachricht sein, wenn du so ungewohnt förmlich bist, Tom.«
    Der schüttelte den Kopf. Er wirkte bleich und angespannt, aber nicht furchtsam. »Im Gegenteil, Henry. Aber heute könnte der wichtigste Tag in deinem Leben sein, und ich dachte, wir alle täten gut daran, diesem Umstand mit ein bisschen Förmlichkeit Rechnung zu tragen.«
    »Alsdann, Monseigneur«, spöttelte Henry. »Was hat mein geliebter Cousin, König Stephen, mir zu sagen?«
    »Er bittet Euch zu einer Unterredung.«
    »Was denn, jetzt? Ich dachte, wir haben uns hier eingefunden, um eine Schlacht zu schlagen.«
    »Jetzt, Euer Gnaden. Auf halbem Weg zwischen seiner Armee und der Euren. Er wird zwei Begleiter mitbringen: den Bischof von Winchester und den Grafen von Flandern.«
    »Nicht seinen Kronprinzen?«
    »Nein. Er bittet Euch, ebenfalls zwei Begleiter mitzubringen. Als Zeugen.«
    Henry dachte nach.
    »Bist du sicher, dass es kein Hinterhalt ist, Tom?«, fragte Alan.
    Becket schüttelte den Kopf. »Man mag Stephen allerhand nachsagen, aber hinterhältig ist er nicht.«
    »Eustache hingegen schon.«
    »Eustache ist eben wutentbrannt davongeritten. Ich nehme an, ihr habt es gesehen; er hätte um ein Haar die eigene Vorhut niedergemäht. Seit Tagen führen der Erzbischof und der Bischof von Winchester geheime Verhandlungen. So geheim, dass nicht einmal ich weiß, worum genau. Aber ich denke, die Unterredung, die Stephen wünscht, hängt damit zusammen.«
    Henry hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Als Becket verstummte, nickte er. »Alan, Tom. Erweist mir die Ehre und begleitet mich zu meiner Unterredung mit König Stephen.«
    Er ritt an, ohne sich nach ihnen umzuschauen, und war schon angaloppiert, als Becket noch sein Pferd wendete.
    Auf der anderen Seite des noch jungfräulichen Schlachtfeldes setzte sich ebenfalls eine Gruppe von drei Reitern in Bewegung. Im leichten Galopp hielten sie auf Henry und seine Eskorte zu. Wachsam blickte Alan ihnen entgegen. Es war das erste Mal, dass er König Stephen von Angesicht sah: einen großen, breitschultrigen Mann mit grauem Haupt- und Barthaar auf einem Schlachtross. Das Bild eines wehrhaften, altersweisen Herrschers, dachte Alan flüchtig, bis man ihm in die Augen schaute. Dort waren weder Kampfeswille noch Weisheit zu lesen. Nur Erschöpfung und Resignation.
    Fünf Schritte voneinander entfernt hielten die beiden Gruppen an, und die sechs Reiter deuteten eine Verbeugung an.
    Eigentlich wäre es ein Gebot der Höflichkeit gewesen, dem König die Eröffnung zu überlassen, aber Alan wusste, Henry war nicht nach England gekommen, um Stephen Höflichkeit zu erweisen.
    »Nun, Monseigneur?«, fragte der junge Herzog der Normandie kühl. »Was habt Ihr mir zu sagen, ehe wir in die Schlacht ziehen und Gott entscheiden lassen, wer über England herrschen soll?«
    »Dies, Monseigneur«, entgegnete König Stephen und sah seinem jungen Verwandten in die Augen. Er war ein würdevoller König, das konnte ihm niemand absprechen. »Ihr sollt wissen, dass ich diese Schlacht nicht schlagen will, in der Engländer das Blut von Engländern vergießen würden.«
    Alan stockte beinah der Atem. Konnte es möglich sein, dass der Albtraum eines

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