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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Augen der Menschen, und jede Nacht, wenn er schlaflos in eine Decke eingerollt im Nieselregen am ersterbenden Feuer lag, besuchte ihn seine alte Gefährtin, die Düsternis. Wie oft noch?, fragte er Gott. Wann nimmt das Morden ein Ende? Wann ist es endlich genug?
    In jedem der überfallenen Dörfer verteilte er ein wenig von dem Geld, das Henry ihm eigentlich als kleine Aufmerksamkeit für den Abt von Bury St. Edmunds mitgegeben hatte, damit die Menschen wenigstens eine Chance hatten, über den Winter zu kommen. Die Frauen knicksten vor ihm und berührten seinen Mantelsaum. Die Männer hielten ihm den Steigbügel und murmelten seinen Namen voller Ehrfurcht. Und Alan kam es vor, als sei der Höllenwurm zurückgekehrt, um ihn zu verschlingen und in schwarzer Galle zu ertränken.
    Doch wenigstens in einer Hinsicht hatte King Edmunds Sorge sich als unbegründet erwiesen: Das Städtchen, welches sich um das reiche Kloster mit »seinem« Grab schmiegte, war noch lebendig und unversehrt.
    »Alan of Helmsby?«, fragte der ehrwürdige Abt verwundert. »Das ist in der Tat eine Überraschung, Monseigneur. Setzt Euch ans Feuer. Ihr seht ein wenig begossen aus, wenn Ihr meiner Offenheit vergeben wollt.«
    Alan folgte der Einladung gern. »Danke, Vater. Wir sind seit zwei Wochen unterwegs, und es hat unablässig geregnet.«
    »Ja, seit St. Swithun«, antwortete Abt Ægelric seufzend. Ein weißer Haarkranz umgab seine Tonsur. Die Hand, die nach dem dampfenden Krug griff, war alt, aber ruhig und sicher. Er füllte zwei Becher und reichte seinem Gast einen davon. Der Duft von heißem Würzwein erfüllte den Raum, und Alan trank behutsam, während er sich verstohlen umsah. Das Haus des Abtes war geräumig und hell, aber bescheiden eingerichtet. Und kein Diener weit und breit, um den Wein einzuschenken. Abt Ægelric nahm es offenbar ziemlich genau mit der Regel des heiligen Benedikt. Er entstammte einem der wenigen angelsächsischen Adelsgeschlechter, die die normannische Eroberung überdauert hatten, und in seiner Familie war es Tradition, dass ein Sohn aus jeder Generation in dieses Kloster eintrat. Viele von ihnen waren Äbte geworden, und das war kein Wunder, befand Alan.
    »Ich bin auf der Suche nach Eustache de Boulogne«, eröffnete er dem Abt.
    Der nickte. »Ja, das haben wir gehört.« Er lächelte flüchtig. »In diesem Teil East Anglias geschieht nicht viel, das uns entgeht.«
    »Dann wisst Ihr auch, wo er ist?«
    Ægelric deutete ein Achselzucken an. »Schon möglich.«
    Die Antwort beunruhigte Alan, und er fühlte sich zu niedergedrückt von all dem Elend, dass er gesehen hatte, um sich auf ein Versteckspiel mit dem Abt einzulassen. »Schon möglich?«, wiederholte er scharf. »Unter welchen Umständen, Vater? Wenn ich Euch seinen Aufenthaltsort abkaufe? Tut mir leid. Was ich an Silber bei mir trug, habe ich denen gegeben, die es nötiger hatten als Ihr. Oder fällt Euch wieder ein, wo Eustache sich aufhält, wenn ich Euch schwöre, ihn zu schonen, weil Ihr Euch mit ihm verbündet habt, damit er Euch in Ruhe lässt? Was genau heißt ›schon möglich‹?«
    Ægelric schlug die Beine übereinander und betrachtete seinen Gast mit zur Seite geneigtem Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass seine Taten einen Mann wie Euch so verbittern könnten.«
    »Dann wird es vielleicht Zeit, dass Ihr Eure sicheren Mauern einmal verlasst und Euch anschaut, was er getan hat«, gab Alan zurück, und mit einem Mal traf ihn die Müdigkeit wie ein Keulenschlag.
    Der ehrwürdige Abt ging nicht darauf ein. »Ich bin nicht Eustaches Freund«, sagte er stattdessen. »Und ganz gleich, was er sagt, es gibt keine Rechtfertigung für das, was er tut. Ich bin nicht sicher, dass Gott ihm das vergeben wird. Ich bin auch nicht sicher, dass er Gottes Vergebung verdient. Er ist eine widerwärtige Kreatur, und das war er als Junge schon.«
    Alan nickte. »Ich weiß.«
    »Aber wie kann ein Abt der Heiligen Mutter Kirche der Freund eines Thronanwärters sein, der sich damit brüstet, Dämonenblut in den Adern zu haben? Der Krieg gegen den frommen König von Frankreich geführt und beinah jeden seiner Bischöfe brüskiert hat? Der ohne Dispens eine äußerst fragwürdige Ehe geschlossen hat und mir ausgerechnet einen exkommunizierten Frevler schickt?«
    Alan stellte seinen Becher ab. »Er ist besser, als die Aufzählung seiner Verfehlungen ihn erscheinen lässt, glaubt mir. Im Übrigen hat der Bischof von Winchester meine Exkommunikation aufgehoben.«
    »Weil Ihr

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