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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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widersprach Godric. »Jetzt sind wir so weit zusammen gewandert, da könnt ihr die letzte Viertelmeile auch noch mitkommen.«
    Er fürchtet sich vor den Menschen aus der Vergangenheit, erkannte Losian. Er tauschte einen Blick mit Simon, der ratlos die Schultern hob, und dann setzten sie sich langsam wieder in Bewegung.
    Als sie die ersten Häuser des Dorfes passierten, sah Losian, dass Regy gar nicht so falsch gelegen hatte: Es waren bescheidene, vermutlich einräumige Hütten aus Zweiggeflecht und Lehm, die Dächer mit Stroh gedeckt. Aber jedes der Häuschen hatte eine kleine Hecke, die einen bescheidenen Garten umfriedete, und zwei der Bauern – vermutlich die wohlhabenderen – nannten gar eine Scheune ihr Eigen.
    Godric und Wulfric sahen sich neugierig um, tauschten ein nervöses Grinsen und hielten vor der Hecke eines Hauses, das gleich gegenüber der Kirche an dem kleinen Dorfplatz lag.
    Godric räusperte sich und rief gedämpft: »Vater?« Er wartete einen Moment, und weil sich nichts rührte, fügte er hinzu: »Wir sind’s. Wir sind wieder da.«
    Die Tür der Hütte flog auf, und eine junge Frau trat heraus.
    Ihr Anblick verursachte Losian einen eigentümlichen Schock. Er spürte Hitze auf der Haut, und alle Härchen richteten sich auf. Die Frau hatte ein unverkennbar bäurisches Gesicht, aber herrlich rote Lippen und hohe, pralle Brüste unter dem schlichten Kleid. Er hatte keine bewusste Erinnerung daran, je zuvor eine Frau gesehen zu haben, aber sein Körper wusste anscheinend Dinge, die sich seinem Geist entzogen, denn er spürte eine unmissverständliche Regung in den Lenden.
    Dann riss dieses hinreißende Wesen die Arme in die Höhe und tat einen markerschütternden Schrei.
    Losian sah Simon neben sich zusammenzucken, und die Zwillinge traten einen Schritt zurück.
    »Gunda …«, sagte Godric mit einem etwas atemlosen Lachen, schaute hilfesuchend zu seinem Bruder, und der fragte die Frau: »Wo ist unser Vater?«
    Statt zu antworten, reckte sie den Hals und schrie über ihre Köpfe hinweg: »Thurgar! Robert! Kommt schnell! O heilige Jungfrau, beschütze mich vor den Visionen der Hölle …« Sie schlug die Hände vors Gesicht und wandte den Kopf ab.
    »Gunda, was soll das?«, fragte Godric. »Wir sind deine Vettern, keine Visionen der Hölle. Und jetzt sag mir, wo unser Vater ist.«
    Sie schüttelte den Kopf, fing an zu weinen und floh zurück in ihr Häuschen.
    Ehe Godric und Wulfric ihr nachrufen konnten, kamen aus der Nachbarhütte zwei kräftige junge Kerle, von denen einer eine Axt in Händen hielt. »Was geht hier … O Jesus, Maria und Joseph.« Der mit der Axt war wie angenagelt stehen geblieben.
    Der andere hielt verdutzt inne und trat dann mit ausgebreiteten Armen und einem warmen Lächeln auf die Ankömmlinge zu. »Godric! Wulfric! Ihr … ihr seid Männer geworden.«
    »Thurgar«, grüßte Godric verlegen.
    Der wollte ihn in die Arme schließen, aber sein Gefährte hielt ihn mit einer Bewegung seiner Axt davon ab. »Vorsicht. Du weißt, was sie gesagt haben.« Er pfiff zur Kirche hinüber. »Vater Edgar? Kannst du mal herkommen?«
    »Robert!«, protestierte Wulfric. »Wärst du vielleicht so gut, uns zu sagen, wo unser Vater …«
    »Er ist tot«, antwortete Robert.
    Die Zwillinge sahen sich an und senkten dann die Köpfe. Sie waren traurig, aber nicht überrascht. Losian wusste, sie hatten damit gerechnet, denn sie waren vernünftige Männer, und vier Jahre waren eine lange Zeit.
    »So tot wie ihr«, fügte der junge Bursche grimmig hinzu.
    Losian legte jedem der Zwillinge kurz eine Hand auf die Schulter, dann stellte er sich vor sie und wandte sich an den Mann, der seine Axt so einsatzbereit in beiden Händen hielt. »Dein Name ist Robert, Freund?«
    »Ganz recht, aber dein Freund bin ich nicht.« Sein Blick, der halb herausfordernd und halb furchtsam war, glitt von Losian zu den Zwillingen und wieder zurück.
    »Schön, wie du willst, Robert of Gilham. Aber diese Männer sind nicht tot. Es ist keine Vision, die du siehst.«
    »Oh doch, das sind sie«, sagte eine feste Stimme, in der eine unverkennbare Autorität schwang. »Die heiligen Brüder haben es ihrem Vater gesagt.«
    Losian wandte den Kopf und fand sich Auge in Auge mit dem Dorfpfarrer: ein grobschlächtiger Mann in den gräulich braunen, ungewalkten Gewändern, wie alle Bauern sie trugen. »Die heiligen Brüder haben gelogen« schien keine sehr vielversprechende Antwort zu sein. »Es war ein Irrtum, Vater«, sagte Losian

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