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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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der sie bändigen kann.«
    Großartig, fuhr es Losian durch den Kopf. Das bedeutet, dass ich dich fortan am Hals habe. Genau wie Oswald und – Gott helfe mir – Regy. »Und du?«, fragte er King Edmund. »Woher stammst du?«
    Der kleine Angelsachse sah ihn an, als hätte Losian ihn gefragt, ob am nächsten Morgen die Sonne wieder aufgehen werde. Spöttisch zog er die Brauen in die Höhe und antwortete: »Aus East Anglia, mein Sohn.«
    »Oh. Natürlich.« Jedes Kind in England wusste, dass der berühmte Märtyrer König von East Anglia gewesen war. »Entschuldige, wie dumm von mir. Und willst du dorthin zurück?«
    »Ich schätze, es wäre ein guter Ort, um herauszufinden, welche Pläne Gott als Nächstes mit mir hat.«
    Losian drehte den leeren Becher zwischen den Händen und sah nachdenklich hinein. »Dann sollten wir es so machen, wie Wulfric vorgeschlagen hat. Wir brechen gemeinsam nach Süden auf. Ihr wisst den Weg zu eurem Dorf noch?«, fragte er die Zwillinge.
    »Früher führte ein Pfad durch den Wald«, antwortete Godric. »Keine Ahnung, ob’s den noch gibt. Aber es ist nicht schwierig. Wir müssen einfach immer nur der Nase nach, dann kommen wir irgendwann an die Straße, die York und Scarborough verbindet, und von dort ist es nicht mehr weit nach Gilham.«
    »Gebe Gott, dass die Flut euer Dorf nicht vernichtet hat«, sagte King Edmund.
    »Ich glaube nicht. Es liegt über eine halbe Meile von der Küste entfernt«, entgegnete Wulfric zuversichtlich.
    »Dann gebe Gott, dass wir unversehrt hinkommen«, hielt King Edmund dagegen. »Ich hätte es vorgezogen, an der Küste entlangzuwandern und den Wald zu meiden. Dort lauern gefährliche Gelichter. Wegelagerer und Gesetzlose, heißt es.«
    »Ich kann mir schwerlich irgendwen vorstellen, der gefährlicher wäre als wir«, warf Losian ein.
    Die Zwillinge lachten. »Sei unbesorgt, King Edmund«, sagte Godric. »In der Gegend hier gibt es so wenige Menschen, dass du tagelang durch den Wald laufen kannst, ohne einer Seele zu begegnen. Der Eroberer hat gründliche Arbeit geleistet, als er sich in den Kopf gesetzt hat, den Norden Englands zu entvölkern, weißt du.«
    Er sagte es ohne Bitterkeit, denn es war schrecklich lange her. Heute lebte gewiss niemand mehr, der sich an die entsetzliche Hungersnot erinnern konnte, die der erste normannische König über seine störrischen Untertanen im Norden Englands gebracht hatte, als er seine Reiterscharen ausgeschickt hatte, die Scheunen im ganzen Norden niederzubrennen, auf dass die eingefallenen Dänen keinen Proviant fanden. Trotzdem war es ein Thema, das die normannischen Engländer nicht gern erwähnten, denn diese unrühmliche Tat ihres großen Eroberers beschämte sie. Simon und Losian tauschten einen unbehaglichen Blick. Dann bemerkte der Junge kopfschüttelnd: »Du weißt, was hier vor achtzig Jahren passiert ist, aber du weißt nicht, wo du zu Hause bist.«
    »Tja. Wenn du das absurd findest, bist du nicht der Einzige.« Losian stand auf. »Lasst uns den Morgen nicht unnütz vertrödeln.«
    Jetzt, da sie ein Ziel hatten, waren alle erpicht darauf aufzubrechen. Sogar Oswald, den die fremde Umgebung und das von der Flut zerstörte Kloster ängstlich und missmutig gestimmt hatten, konnte plötzlich wieder lachen und klatschte ausgelassen in die Hände, als King Edmund ihm eine feuchte, aber ansonsten tadellose Decke reichte und ihm zeigte, wie er ein Bündel daraus knoten sollte.
    Ganz anders als auf der alten Inselfestung hatten sie hier in den Trümmern jede Menge Schätze gefunden, die die Flut zurückgelassen hatte. Doch sie waren übereingekommen, nur das Nötigste mitzunehmen: eine Decke für jeden, Mönchssandalen für die Barfüßigen, die Äpfel, den Schinken und so viel von dem Pökelfleisch, wie sie tragen konnten. Die goldenen und silbernen Kirchenschätze ließen sie genauso zurück wie die drei Beutel voller Pennys, die King Edmund unter einer Falltür in der Sakristei gefunden hatte, denn sie gehörten Gott.
    »Glaubst du nicht, dass wir ein oder zwei Schilling als Notreserve mitnehmen dürfen?«, hatte Simon King Edmund gefragt.
    Doch der hatte kategorisch den Kopf geschüttelt. »Die Brüder von St. Pancras mögen ihrem Orden wenig Ehre gemacht haben, Simon de Clare, aber das gibt uns kein Recht zu stehlen, was sie zur Ehre des Herrn zusammengetragen haben. Wir lassen alles dort zurück, wo wir es gefunden haben, und wenn Gott gnädig ist, wird er unsere Reise segnen.«
    Simon seufzte.

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