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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Amen.«
    King Edmunds Strategie, Gottes Segen für ihre Wanderschaft mit Rechtschaffenheit erkaufen zu wollen, fand Losian höchst fragwürdig. Doch sie schien zu funktionieren. Bei strahlendem Sonnenschein brachen sie auf, kamen zügig und ohne Missgeschicke voran, und die Stimmung war nahezu ausgelassen. Keine halbe Stunde vom Kloster entfernt begann der Wald, und es dauerte nicht lange, bis sie einen schmalen Pfad fanden, der in ihre Richtung führte.
    »Wer macht in dieser menschenleeren Gegend einen Weg?«, verwunderte sich King Edmund.
    »Das Wild«, antworteten Losian und Regy wie aus einem Munde, und Ersterer fügte hinzu: »Es ist ein Wechsel. Siehst du die Hufspuren? Hirsche und Rehe halten diesen Pfad offen. Vermutlich führt er zu einer Quelle.«
    Die Bäume waren noch kahl, und der unablässige kalte Wind des Nordens strich durch die nackten Zweige und das struppige, dunkle Gras vom letzten Jahr. Doch die Sonne schien, lockte Vögel in Scharen aus dem Dickicht und verlieh dem Wald einen Hauch von Frühling. Die Luft war erfüllt von einem wunderbar herben Duft nach Rinde, Walderde und vermoderndem Laub. Oswald brach allenthalben in Jubel aus, reckte die Hände über den Kopf und rannte ein Stück voraus. Dann kam er zu den anderen zurück und wiegte bei jedem Schritt den Kopf hin und her – ein sicheres Zeichen seines Wohlbefindens. Wulfric, Godric und Simon lachten über seine Kapriolen, nicht weil Oswalds Watschelgang so unfreiwillig komisch war, sondern weil sie das gleiche Hochgefühl verspürten wie er.
    Am späten Vormittag erreichten sie einen der klaren, eiligen Bäche, mit denen diese Gegend so reich gesegnet war, und wie Losian vorhergesagt hatte, schien das Flüsschen das Ziel des Wildwechsels zu sein. Am anderen Ufer mussten sie sich eine Weile durch ein Gestrüpp aus Brombeer- und Haselsträuchern kämpfen, doch ehe es ihnen ernstlich die Laune verderben konnte, blieb es zurück, und kurz darauf fanden sie wieder einen Pfad, der nach Süden führte.
    Als die Sonne leuchtend wie ein frischer Eidotter im Westen stand, hielten sie an, aßen Pökelfleisch und Äpfel und tranken das herrlich reine, aber eiskalte Wasser einer nahen Quelle. Regy merkte säuerlich an, dass er bereitwillig einen Weinschlauch getragen hätte, wenn sie ihn nur gelassen hätten, aber in Wahrheit war er genauso zufrieden mit dem Nachtmahl wie alle anderen. So großzügige Rationen hatten sie auf der Insel nicht gekannt. Satt und schläfrig rollten sie sich schließlich in ihre guten Decken. Losian verspürte eine gute, ehrlich verdiente Müdigkeit in allen Gliedern und war zuversichtlich, dass er ausnahmsweise einmal tief und traumlos schlafen würde.
    Der Himmel hatte sich zugezogen, als sie am nächsten Tag bei Dämmerung nach Gilham kamen. Es war ein hübsches Dorf, das nicht weit vom Waldrand entfernt in einer geschützten Senke zwischen drei Hügeln lag. Vielleicht zwei Dutzend Häuser schmiegten sich um eine bescheidene Holzkirche. Über die Hügel erstreckten sich die großen, in Streifen unterteilten Felder der Bauern, die hier Hafer und Roggen anbauten, doch der größere Teil der Nutzflächen schien Weideland zu sein, und die hügeligen Wiesen waren mit Schafen betupft. Winzige Lämmer waren darunter, staksten noch ungeschickt umher, reckten die kleinen Köpfe nach den Zitzen ihrer Mütter und entlockten Oswald leise, gurrende Laute des Entzückens. Auf den Feldern hatte das Pflügen und Eggen begonnen, aber für heute schienen die Bauern Feierabend gemacht zu haben. Es war weit und breit niemand zu entdecken.
    Wulfric zeigte mit dem Finger auf das Kirchlein, welches an der Westseite eines grasbedeckten Platzes mit einem kleinen Teich in der Mitte stand. »St. Erkenwold.« Seine Stimme bebte ein wenig. Losian konnte sich vorstellen, wie erschütternd es für die beiden jungen Männer sein musste, ihr Dorf wiederzusehen.
    Godric biss sich auf die Unterlippe, starrte mit verengten Augen auf die Häuschen hinab und sagte nichts.
    »Vielleicht ist es besser, wenn wir nicht alle hinuntergehen«, schlug Simon unsicher vor. »Eure Leute würden einen Mordsschreck bekommen, wenn sie einen verlotterten Kerl an einer Kette sehen.«
    »Oh, heißen Dank, Bübchen«, gab Regy verdrossen zurück. »Ich würde sagen, die Leute, die Wulfric und Godric kennen, sind nicht so leicht zu erschüttern.«
    »Simon hat trotzdem recht«, befand King Edmund. »Vielleicht solltet ihr erst einmal alleine …«
    »Kommt nicht infrage«,

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