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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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vollkommen vertraut gewesen waren, er aber unfähig war, auch nur eine einzige konkrete Erinnerung damit zu verbinden?
    Er wusste, wie sinnlos und gefährlich solche Fragen waren, weil sie bestenfalls zu hilflosem Zorn führten. Also lenkte er sich mit praktischen Dingen ab.
    Auf dem Tisch stand eine Kiste mit runzeligen Äpfeln, ein zweiter Schinken, kaum angeschnitten, lag daneben sowie ein paar Zwiebeln. Das war alles, was sie im Vorratsraum unter der Küche an brauchbaren Lebensmitteln gefunden hatten. Nicht viel für acht Männer. Wenn sie es eisern rationierten, würde es vielleicht für drei Tage reichen. Mehr nicht.
    Wulfric, Godric und Simon kamen zurück ins Küchenhaus.
    »Herrlicher Tag da draußen«, verkündete Godric. »Wir sollten etwas essen und uns dann auf den Weg machen. Wenn wir uns sputen, sind wir morgen Abend bei uns zu Hause.«
    »Großartig«, bemerkte Regy trocken. »Und was genau mag es sein, euer Zuhause? Eine Hütte aus Zweiggeflecht, Lehm und Kuhscheiße?«
    »Zerbrich dir nicht den Kopf«, knurrte Wulfric. »Dich laden wir sowieso nicht ein.«
    »Das erleichtert mich.«
    »Wir haben noch ein Vorratshaus gefunden, das teilweise stehen geblieben ist«, berichtete Simon. »Ein paar Fässer Bier, Sauerkohl und Pökelfleisch.«
    »Großartig.« Losian nickte zufrieden. »Füllt einen Kessel mit Kohl und Fleisch und bringt ihn her, seid so gut. Ich schüre das Feuer auf. Während unser Frühstück warm wird, können wir die Messe hören. Einverstanden?«
    Alle außer Regy bekundeten ihre Zustimmung. Die jungen Männer nahmen einen mittelgroßen Kessel von der Bank neben dem Herd, und während sie unterwegs waren, erwachten auch Oswald und Luke. Als Letzterer von dem Bierfund hörte, leuchteten seine Augen. »Ich hol uns welches«, erbot er sich. »Die Brüder von St. Pancras waren erbärmliche Christenmenschen, das steht mal fest, aber sie verstanden sich aufs Bierbrauen.«
    Wie Losian vermutet hatte, wartete King Edmund schon in der halb eingestürzten Kirche auf sie. Er hatte ein paar Kerzen und ein goldenes Reliquiar gefunden, die er auf den Altar gestellt, und einen silbernen Pokal, den er großzügig mit Wein gefüllt hatte. Mit leuchtenden Augen hielt er ihnen die feierlichste Messe, die ein jeder von ihnen seit seiner Ankunft auf der Insel erlebt hatte, und sie alle verspürten einen Hauch von Euphorie, als sie Gott für die glückliche Überquerung des Meeres und ihre wiedergewonnene Freiheit dankten.
    Beim anschließenden Frühstück im Küchenhaus schwelgten sie in ungewohntem Überfluss, aßen mit schamloser Gier den Kohl und das schöne, fette Pökelfleisch, und Luke hatte nicht übertrieben, was die Braukünste der Mönche anging.
    Als der Kessel ausgekratzt und der letzte Krug geleert war, wurde es still am Tisch. Auf zwei Bänken saßen die Flüchtlinge sich gegenüber und tauschten ratlose Blicke.
    »Tja«, machte Simon schließlich und breitete kurz die Hände aus. »Was nun?«
    Niemand antwortete sofort. Bis zu diesem Augenblick hatten sie eine Gemeinschaft gebildet. Erst unfreiwillig, zusammengepfercht in der alten Burg auf der Insel, dann als Gefährten bei der gefahrvollen Flucht von dort. Aber nun hatte diese Gemeinschaft ihren Zweck erfüllt und würde zerfallen, das ahnten sie alle.
    »Ich nehme an, du willst auf dem schnellsten Weg nach Hause?«, fragte Wulfric den jungen Normannen.
    Simon nickte und hob gleichzeitig die Schultern. »Natürlich. Aber es sind fünfzig Meilen von hier nach York, hundert Meilen von York nach Lincolnshire. Und im ganzen Land herrscht Anarchie. Ich brauche ein Pferd, Waffen und ein bisschen Geld, sonst komm ich nie an.«
    Die anderen nickten nachdenklich.
    »Vielleicht wäre es das Klügste, wenn wir vorerst zusammen reisen«, schlug Wulfric vor. »Im Moment haben wir sowieso alle den gleichen Weg, schätze ich. Oder will irgendwer nicht nach Süden?«
    Losian wandte sich an Luke. »Was ist mit dir? Du bist hier in der Nähe zu Hause, nicht wahr?«
    Der alte Mann nickte, aber in seinen Augen stand Furcht. »Ich kann nicht zurück, Losian. Als die Schlange in meinen Bauch gekommen ist, hat mein eigener Sohn es den Mönchen verraten. Vielleicht weil er Angst vor ihr hatte, kann schon sein. Aber vor allem, weil er nicht länger auf das Land warten wollte. Ich kann nicht mehr zurück. Und ich kann auch keine Felder mehr bestellen.« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht mit einer Schlange im Bauch, verstehst du? Du bist der Einzige,

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