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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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offen. Wenn du irgendetwas siehst, das dir nicht gefällt, lass es mich sofort wissen.«
    Simon warf ihm einen raschen Seitenblick zu. Losian war also ebenso nervös wie er selbst, stellte er fest, und das trug nicht gerade dazu bei, seine Beklommenheit zu lindern.
    Sie gingen quer über eine Wiese hügelab, kamen auf einen Pfad, der von knorrigen Weiden flankiert war und geradewegs auf die Halle zuführte.
    Ein hölzernes Tor in der Hecke schützte die Bewohner der Halle vor unwillkommenen nächtlichen Besuchern, doch jetzt, am helllichten Tag stand es einladend offen und war unbewacht. Simon verharrte einen Moment und schaute sich im Innenhof um. Losian blieb ebenfalls stehen und folgte seinem Blick. »Es sieht großartig aus«, sagte er. »Ein guter Platz zum Leben.«
    Simon lächelte ein wenig verlegen. »Na ja. Es ist … nichts Besonderes. Aber ein Zuhause eben.«
    »Du bist zu beneiden.« Es klang nüchtern, aber Simon glaubte, einen sehnsüchtigen Unterton zu hören.
    Er stieß sich vom Torpfosten ab. »Lass uns gehen.«
    Einen Schritt vor Losian durchquerte er den Hof. Zur Linken erhob sich ein lang gezogenes Stallgebäude, aus dem man das Stampfen von Kühen auf Stroh hörte, und ein durchdringender Mistgeruch kam zu ihnen herübergeweht. Ein Eimer schepperte, aber Simon hielt nicht inne, um festzustellen, wer im Stall bei der Arbeit war, sondern ging geradewegs auf die strohgedeckte Halle aus verbrettertem Fachwerk zu.
    Er stieg die zwei Stufen hinauf, öffnete die Tür und rief auf Englisch: »Edivia? Wilbert? Ich bin wieder da!«
    Ein Jubelschrei kam aus dem dämmrigen Innern. »Lord Simon!« Ehe seine Augen sich ganz auf das schwache Licht eingestellt hatten, umschlangen zwei muskulöse Frauenarme seinen Hals. »Du bist wieder daheim! Oh, Gott sei gepriesen, du bist wieder daheim.«
    Simon befreite sich mit einem Lachen. »Edivia. Es … es tut so unendlich gut, dich zu sehen.«
    »Wo warst du nur so lange?«, fragte sie, legte ihm für einen Moment beide Hände auf die Wangen, und ihr Gesicht strahlte. »Wieso hast du nicht …« Sie unterbrach sich, als ihr Blick auf Losian fiel, und sie wich einen kleinen Schritt zurück. »Wer ist dein Freund?« Sie lächelte immer noch, aber plötzlich hatte ihre Stirn sich gefurcht.
    »Oh, er ist nicht so gefährlich, wie er aussieht«, entgegnete Simon. Jedenfalls hoffe ich das, dachte er flüchtig. »Sein Name ist Reginald de Warenne.« Es war das Erste, was ihm in den Sinn gekommen war, und er wusste, es war keine glückliche Wahl. Aber wenn er ihn als »Losian« vorgestellt hätte, hätte er den Namen erklären müssen, und er fand, Losians Gedächtnisverlust war eine zu persönliche Angelegenheit. Hastig fuhr er fort: »Reginald, dies ist Edivia, die gute Seele dieser Halle.«
    Losian zeigte ein kleines Lächeln und neigte fast unmerklich den Kopf.
    Edivia ignorierte den hochmütigen Normannen und nahm Simon wieder bei der Hand. »Kommt. Ihr müsst hungrig und durstig sein. Eure Kleider verraten mir, dass ihr allerhand erlebt habt.« Sie zog Simon zu einer Bank an einem langen Tisch. »Setz dich, Simon. Und Ihr auch, Lord. Ich hole euch etwas Gutes, und dann reden wir.«
    Sie fuhr Simon noch einmal flüchtig über den dunklen Schopf, als müsse sie sich mit ihren Händen vergewissern, dass er wirklich wieder da war, und wandte sich dann ab.
    »Wo sind alle?«, rief Simon ihr nach.
    »Auf den Feldern«, antwortete sie über die Schulter. »Der Boden war so lange gefroren, weißt du, und als endlich Tauwetter kam, musste alles gleichzeitig gepflügt werden. Ach, du weißt ja, wie es ist, Junge … Ich bin gleich zurück.«
    Sie verließ die Halle durch eine Seitentür, die zum Vorratshaus führte. Simon stand auf, holte Becher von einem Bord neben dem Herd und füllte einen Krug mit der Kelle, die am Bierfass hing. Es war ein glückseliger Moment. Die Kelle war schlecht gearbeitet, und immer wenn man sie benutzte, verschüttete man ein wenig Bier. Früher hatte er sich endlos darüber aufregen können. Jetzt war ihm danach, die Kelle zu küssen, weil sie so vertraut war, ein Stück Geborgenheit. Er war zu Hause. Er begriff erst in diesem Augenblick, was das wirklich bedeutete. Ein Bleigewicht schien von seinen Schultern zu gleiten, und er verharrte einen Moment am Herd, um sich zusammenzunehmen, ehe er Krug und Becher zum Tisch zurücktrug.
    Mit einem dankbaren Nicken ergriff Losian einen gut gefüllten Becher und trank durstig. »Deine Amme?«, tippte

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