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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mein Steward?«, fragte er stattdessen.
    Die Männer, die ihm grobschlächtig und dumm wie Trolle vorkamen, tauschten hämische Blicke. Dann tätschelte der im Kettenhemd Simon roh die Wange. »Wir bringen dich zu ihm. Ich schätze, ihr habt euch viel zu erzählen, he? Schafft sie weg«, befahl er seinen Kumpanen, und je zwei eskortierten Simon und Losian zur Tür.
    Sie brachten sie quer über den stillen Hof zu einem kleinen, aber stabilen Nebengebäude. Die Tür hatte ein Schloss, weil hier früher Weinfässer, Wachskerzen und andere wertvolle Vorräte aufbewahrt worden waren, nahm Losian an. Jetzt war der Lagerraum indes zweckentfremdet.
    »Schließ die Augen, Simon«, riet Losian über die Schulter, als er vor dem Jungen über die Schwelle ins Innere gestoßen wurde.
    Simon befolgte den Rat. Er landete hart auf den Knien, die Lider fest zugekniffen, senkte den Kopf und atmete stoßweise.
    »Dein Steward ist tot«, berichtete Losian, nachdem die Tür sich geschlossen hatte. »Vielleicht seit zwei Tagen.« Er betrachtete den nackten, grausam entstellten Leichnam am Boden und war befremdet über seine eigene Gelassenheit. Wilbert war ein stattlicher Angelsachse von vielleicht vierzig Jahren gewesen. Aber sein Holzfällerkreuz und seine keulengleichen Arme hatten ihm nichts genützt. Sein Leib, vor allem seine Füße wiesen furchtbare Brandwunden auf, und er war qualvoll gestorben.
    »Was haben sie mit ihm getan?«, fragte Simon erstickt, der sich immer noch nicht gerührt hatte.
    »Sie haben ihn gefragt, wo er dein Geld versteckt hat, schätze ich, und als er es ihnen schließlich gesagt hat, haben sie ihm eine Schlinge um den Hals gelegt und den Strick straff gespannt an seine Füße gebunden. So hat er sich langsam selbst erdrosselt. Er sieht … ziemlich schlimm aus. Wenn du hinschaust, denk daran, dass er jetzt nichts mehr fühlt, in Ordnung?«
    Der Junge nickte, öffnete zögernd die Augen und wandte den Kopf. Stumm betrachtete er den Toten. Er rührte sich nicht und verzog keine Miene, aber Tränen rannen über sein Gesicht. Losian schalt ihn nicht. Das war wahrhaftig eine bittere Heimkehr. Was konnte ein argloser Junge wie Simon de Clare verbrochen haben, um zu verdienen, was das Schicksal ihm angetan hatte? Was dachte Gott sich nur dabei, das geschehen zu lassen? War es eine Prüfung? Hatte Gott sich bei Simons Erschaffung überlegt: Ich schlage dich mit einem Gebrechen, das dich zum Außenseiter macht, und dann schaue ich tatenlos zu, wie die Menschen Schindluder mit dir treiben, um zu sehen, wie fest dein Glaube ist? Waren sie alle, die von der Insel der Seligen entkommen waren, Hiobs Brüder?
    »Es tut mir leid, Simon.«
    Der Junge räusperte sich. »Ich wünschte, wir könnten irgendetwas für ihn tun. Es ist so schrecklich, wie er da liegt.«
    Losian nickte. Seit die Tür sich geschlossen hatte und sie allein waren, drehte er unablässig die Handgelenke gegeneinander. Die Lederschnur schnitt ihm ins Fleisch, aber er hatte das Gefühl, sie habe sich schon ein wenig gelockert. »Es ist nur seine Hülle, würde King Edmund sagen«, erinnerte er Simon. »Und ich finde, du hast ihn jetzt lange genug angesehen. Dreh dich um.«
    »Nein.« Es klang trotzig. »Es ist das Einzige, was ich noch für ihn tun kann. Es anschauen. Und niemals vergessen. Damit ich es eines Tages rächen kann.«
    Ich bewundere deinen Optimismus, was unsere Lebensspanne angeht, fuhr es Losian durch den Kopf. »Wem immer du Rache schwörst, geh nicht zu hart mit deiner Amme ins Gericht.«
    Nun wandte Simon sich doch zu ihm um. »Und wieso nicht? Sie hat uns verraten. Statt uns zu warnen und uns fortzuschicken, hat sie diese … Trolle geholt!«
    »Und was, glaubst du, haben sie ihr angedroht für den Fall, dass sie sie hintergeht? Wenn ich mir deinen Steward so anschaue, kann ich mich des Eindrucks kaum erwehren, dass Guy und Rollo de Laigle nicht gerade zu den Sanftmütigsten unter Gottes Kindern zählen. Sie … sie hat sich wirklich gefreut, dich zu sehen, Simon. Aber ihre Furcht war zu groß. Ist das so unverzeihlich?«
    Simon schnaubte. »Und ich dachte, gerade du verabscheust nichts so sehr wie Feigheit.«
    Ja, das dachte ich eigentlich auch, ging Losian auf. »Nun, wie es scheint, haben wir uns beide geirrt. Einer wehrlosen Frau mit einem Rudel Trolle zu drohen ist vielleicht noch eine Spur abscheulicher.«
    Simon biss die Zähne zusammen, streifte den toten Steward mit einem Blick und schien nicht zu wissen, was er denken sollte.

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