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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sie im Zwielicht zwischen den Bäumen verschwunden war. Dann nahm er den schweren Brotkorb auf und schlenderte zurück Richtung Bach. Er hatte nicht vergessen, dass sie immer noch verfolgt und gesucht wurden, und er blieb allenthalben stehen, sah zurück und lauschte konzentriert. Doch er konnte sich an keine Gelegenheit erinnern, da ihm so leicht ums Herz gewesen war.
    Seine Unbeschwertheit währte genau so lange, wie er brauchte, um in Hörweite der Höhle zu kommen. Das Plätschern des Wasserfalls übertönte die erhobenen Stimmen, die herausdrangen, nur unzureichend.
    »Sie ist aufgewacht und jetzt schlängelt und schlängelt sie sich …«
    »Nun, es ist jetzt seit einer Stunde dunkel, Bübchen, und ganz gleich, was du sagst: Er kommt nicht zurück …«
    »Halt dein verdammtes Schandmaul, Regy …«
    »Wenn du noch einmal fluchst, Bengel …«
    »Losian. Ich will Losian …«
    Der trat eilig durch den Wasservorhang. »Seid ihr noch bei Trost? Wisst ihr eigentlich, dass man euch auf zwanzig Schritte Entfernung hört? Wollt ihr, dass sie kommen und euch abschlachten?«
    Alle waren verstummt und starrten ihn im Licht eines kleinen Feuers an. Regy saß mit ausgestreckten Beinen und lässig verschränkten Armen an die ungleichmäßige Höhlenwand gelehnt und sah mit einem herablassenden Lächeln zu Simon hoch, der mit geballten Fäusten vor ihm stand, King Edmund mit sturmumwölkter Miene gleich an seiner Seite. Die Zwillinge hatten sich die Kette um die Hüften geschlungen, und Wulfric hielt sie zusätzlich in beiden Händen, als mache er sich bereit, Regy zurückzureißen, sobald es zu Handgreiflichkeiten kam. Luke saß zusammengekauert am Feuer und krallte die Hände in den Bauch, Oswald lag auf der kalten, harten Erde und weinte leise.
    Großartig, dachte Losian angewidert. Was für eine Gesellschaft …
    Simon rührte sich als Erster. »Wo zum Henker bist du gewesen? Wir sind außer uns vor Sorge!«
    Bitterer Zorn überkam Losian – plötzlich, als habe er in einem Hinterhalt gelauert. »Ich kann kommen und gehen, wie es mir gefällt, und schulde dir keine Rechenschaft, Simon de Clare, hast du verstanden? Ich brauchte einfach …« … eine Pause von dieser Ansammlung von Jahrmarktsmonstrositäten , hatte ihm auf der Zunge gelegen, aber er nahm sich gerade noch rechtzeitig zusammen. Er wollte so etwas nicht sagen, denn das waren sie nicht. Es war erbärmlich und gemein, sie zu beleidigen, weil Gott sie anders erschaffen hatte als den Rest der Menschheit. Keiner dieser Männer – abgesehen von ihm selbst und Regy – trug die Schuld für das, was er war. In diesem Punkt hatte der ehrwürdige Abt von St. Pancras sich getäuscht, dessen war Losian sicher. Sie waren gutartiger und harmloser als der Durchschnitt, auch davon war er überzeugt, und es war nicht recht, sie zu beschimpfen, nur weil er ratlos und wütend war und ein schlechtes Gewissen hatte.
    Er sah in die Gesichter, die ihm zugewandt waren – teils furchtsam, teils fragend –, und fing noch einmal von vorn an. »Es hat ein Weilchen gedauert, aber ich habe uns Brot beschafft. Hier.« Er streckte King Edmund den Korb entgegen.
    Der Angelsachse griff danach und schlug das Tuch zurück. »Oh, der Herr Jesus Christus sei gepriesen! Und du auch, Losian.«
    Der nahm einen der Laibe heraus, brach ihn in zwei Hälften und hockte sich vor Luke. »Hier. Du musst sie füttern, dann schläft sie wieder ein.«
    Luke wimmerte mit geschlossenen Augen und schien ihn gar nicht zu hören, aber er nickte, und als Losian ihm den halben Laib in die Hand drückte, fing er gierig an zu essen.
    Losian ging weiter zu Oswald. »Komm, mein Junge. Setz dich auf. Du musst etwas essen.« Er streckte ihm die Linke entgegen, und nach einem kleinen Zögern griff Oswald danach und zog sich in eine sitzende Position.
    »Ich dachte, du kommst nicht wieder«, murmelte er, und immer noch liefen Tränen über sein Gesicht.
    Losian sah kopfschüttelnd auf ihn hinab. »Wie kommst du nur auf so eine Idee? Wo sollte ich denn hin ohne euch?«
    Oswald griff nach dem Brot und biss hinein. Dann pflückte er mit Daumen und Zeigefinger ein wenig des weichen Inneren heraus, knetete es zu einem Kügelchen und streckte es Losian entgegen. »Für dich.«
    Das Brotkügelchen hatte eine bedenklich schwärzliche Farbe, denn Oswalds Hände waren nicht sauber. Losian nahm es trotzdem und aß es. »Hm! Wunderbar.«
    Oswald legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm hochschauen zu können, und ein kleines

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