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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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gemacht hatte. Er schloss die Augen und versuchte, den wunderbaren Geschmack auf der Zunge festzuhalten.
    Dann schaute er Edivia wieder an. »Hast du genug, um acht Männer einmal richtig satt zu machen?«
    »Wieso acht?«, fragte sie verwundert.
    »Simon und ich sind nicht allein unterwegs.«
    »Was ist ihm passiert? Wie geht es ihm?« Ihre Stimme war voll echter, mütterlicher Sorge. »Wenn du ihm wohlgesinnt bist, dann lass mich zu ihm.«
    Losian hob warnend die Linke. »Wenn du dir selbst wohlgesinnt bist, gib mir den Korb und verschwinde. Simon ist nicht besonders gut auf dich zu sprechen.«
    »Nein, das will ich glauben«, sagte sie. »Aber ich konnte nichts anderes tun.« Er sah, dass sie unglücklich war, aber in ihrer Stimme lag kein Flehen. Sie bettelte nicht um seine Absolution, sondern sie stellte eine Tatsache fest. Losian fand sie anziehend, und er konnte sich schon vorstellen, warum Simons Vater sich ihr zugewandt hatte, statt wieder zu heiraten, wie es sich eigentlich gehört hätte. Edivia war um die dreißig, schätzte er, hatte ein paar graue Strähnen im dunklen Haar, das sie im Nacken zu einem losen Zopf gebunden trug, aber er erahnte einen straffen, muskulösen Leib unter dem schlichten Kleid. Ihre blauen Augen hatten etwas Herausforderndes und ebenso Unerschütterliches, als hätten sie schon allerhand gesehen, und ihr breiter Mund brachte ihn aus der Fassung.
    Ohne verräterische Hast wandte er den Blick ab. »Ich weiß«, antwortete er. »Aber er ist zu jung, um das zu verstehen. Und er … hat eine schlimme Zeit hinter sich. Der Gedanke, wieder nach Hause zu kommen, hat ihm Mut gegeben. Jetzt weiß er nicht, wie er weitermachen soll. Gib mir noch ein Stück Brot, sei so gut.«
    Sie folgte der Bitte. »Du kennst ihn gut«, bemerkte sie, als sie es ihm reichte.
    Losian zuckte die Achseln. Jedenfalls besser als mich, das steht fest, dachte er.
    »Und wenn ihr zu acht seid, könnt ihr nicht versuchen, de Laigle und seine Schurken aus Woodknoll zu verjagen?«, fragte sie, mit einem Mal hoffnungsvoll. »Sie sind nur noch zu zehnt, und wenn ihr sie überrascht …«
    Losian lachte leise. »Das gäbe eine denkwürdige Schlacht.« Dann wurde er wieder ernst und schüttelte den Kopf. »Es geht nicht, Edivia, glaub mir. Wir können niemanden besiegen und niemanden retten. Wir haben alle Hände voll damit zu tun zu überleben.«
    »Wie kann das sein?«
    Er erklärte es ihr. In knappen Worten beschrieb er ihr seine Gefährten und ihre sonderbaren Gebrechen – das seine ebenfalls, weil alles andere sich ungerecht und verlogen angefühlt hätte –, und er berichtete, was sie zusammengeführt hatte.
    Edivia war erwartungsgemäß erschüttert. »Sie haben ihn eingesperrt ? Auf einer Insel voller Narren?«
    Losian verzog ironisch den Mund, nickte jedoch. »So kann man sagen.«
    »Oh, das ist furchtbar …« Dann wurde ihr anscheinend klar, wie taktlos war, was sie gesagt hatte, und sie schlug die Hand vor den Mund. »Entschuldige.«
    Kein »Mylord« mehr, fiel ihm auf. Er winkte ab. »Ich sollte gehen. Es wird dunkel, und sie haben wirklich Hunger.«
    »Ich komme mit dir«, verkündete sie. »Ich muss ihn sprechen.«
    »Warum? Um seine Kränkung zu lindern? Das wird dir kaum gelingen. Oder um dein Gewissen zu erleichtern? Dann geh zur Beichte. Tu’s nicht auf seine Kosten. Lass ihn zufrieden, er hat genug, womit er fertig werden muss. Und sein Vater und du, ihr habt es versäumt, ihm beizubringen, wie man das macht.«
    »Du hast kein Recht, über seinen Vater zu urteilen. Oder über mich. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man ein Kind liebt, das die Fallsucht hat und von der Welt immer als Sonderling oder Missgeburt oder als verdächtig angesehen werden wird. Du hast ja keine Ahnung, wie sich das anfühlt.«
    »Nein, vermutlich nicht.« Er streckte die Hand aus. »Gib mir das Brot.«
    Sie reichte ihm den Korb. Er war schwer. Viel Brot, erkannte Losian erleichtert.
    »Ich habe noch nie Augen wie deine gesehen«, sagte Edivia.
    »Wieso?«, fragte er. »Was ist damit?«
    »Einen Moment meint man, sie sind blau, im nächsten Moment sind sie grün.«
    »Wirklich?« Es war heraus, ehe er sich hindern konnte. Er hatte keine Erinnerung an sein Gesicht. Er kannte es schemenhaft von dem Spiegelbild, das er gelegentlich auf einer stillen Wasseroberfläche erhascht hatte, aber die Farbe seiner Augen hatte er nie gesehen.
    Edivia blickte ihn wortlos an, und Losian stieß wütend die Luft aus. »Erspar mir dein

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