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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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du’s?«
    Der junge Mann hob unbekümmert die Schultern. »Ich kann nicht anders. Es liegt in der Familie. Wir haben ein Tröpfchen Dämonenblut in den Adern.«
    Losian war befremdet − und auf eigentümliche Weise fasziniert −, weil der Junge das so leichthin sagte. »Dämonenblut?«, wiederholte er neugierig.
    Henry nickte. »Mein Ururururgroßvater heiratete eine Unbekannte, allein wegen ihrer Schönheit.« Er musste brüllen, um sich verständlich zu machen, aber das hielt ihn nicht davon ab, seine Geschichte zu erzählen, während er sich an Losians Seite gegen den Sturm stemmte. »Es heißt, er war völlig besessen von seiner Begierde. Übrigens auch ein Familienübel.« Er lächelte flüchtig. »Jedenfalls, die geheimnisvolle, schöne junge Gräfin ging nicht gern in die Messe. Wenn sie dort war, betete sie nie, und sie ging immer vor der Wandlung. Eines Tages befahl der Graf vieren seiner Männer, sie festzuhalten, wenn sie die Kirche verlassen wollte. So geschah es auch. Beim nächsten Gottesdienst stand sie wieder auf, um hinauszugehen, und da packten die Männer sie beim Mantel und wollten sie hindern.«
    »Und was dann?«, fragte Losian gespannt.
    Henry sah ihm in die Augen. »Sie streifte den Mantel ab, flog aus dem Fenster und ward nie wieder gesehen.«
    »Sie … flog aus dem Fenster?«
    »Hm.« Der junge Franzose nickte. »So war’s. Seither haben die Plantagenets einen etwas eigenartigen Ruf. Aber die geheimnisvolle fliegende Gräfin war gar nichts im Vergleich zu ihrem Sohn, den sie Fulk den Schwarzen nannten. Dieser Fulk hat nämlich …« Er brach abrupt ab, weil sich vor ihnen ein unheilvolles Krachen und Bersten erhob, das tatsächlich lauter war als der Sturm.
    »Edmund, gib Acht!«, rief Losian, machte einen Satz, riss King Edmund zu Boden und rollte mit ihm durch den Schlamm. Der Baum fiel mit einem gewaltigen Getöse, und die Erde erzitterte, als er genau dort aufschlug, wo Edmund einen Herzschlag zuvor noch gestanden hatte.
    Der setzte sich auf und bekreuzigte sich.
    »Junge, Junge, das war verdammt knapp.« Erschrocken war Simon herbeigeeilt, dicht gefolgt von Luke.
    King Edmund ließ sich von Simon aufhelfen und zischte ihm drohend ins Ohr: »Denk nicht, ich hätte das nicht gehört!«
    Simon ging nicht darauf ein. Genau wie seine Gefährten sah er auf die Fichte hinab, die entwurzelt zu ihren Füßen lag und ihnen obendrein auch noch den Weg versperrte. Der Wind heulte auf, eine plötzliche Sturmbö beförderte Luke von den Füßen, der sich im letzten Moment an Wulfrics Arm festhielt. Und es begann wieder zu schütten.
    »Ich wiederhole mich ungern, aber wenn wir nicht bald einen Unterschlupf finden, sind wir morgen früh alle tot«, rief Regy zu Losian hinüber.
    »Er hat recht«, räumte King Edmund unwillig ein. »Wir müssen Schutz suchen. Es wird Abend, und der Sturm wird schlimmer.«
    Simon sah sich ohne viel Hoffnung im Wald um, wandte den Kopf nach links, dann nach rechts, dann so ruckartig wieder nach links, dass Regentropfen aus seinem Schopf flogen.
    Godric blickte in die gleiche Richtung. »Was ist da?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Simon unsicher. »Mir war, als hätte ich aus dem Augenwinkel ein Licht gesehen.«
    Alle wandten sich nach Südwesten und schauten beinah andächtig in die Richtung, in die er gezeigt hatte. Als das Licht das nächste Mal durch die Dämmerung blinzelte, sahen sie es alle.
    Ohne dass eine Absprache nötig gewesen wäre, machten sie sich auf den Weg. »Lasst uns hoffen, dass es kein Kloster ist«, brummte Regy. »Sonst will Losian wieder vorbeiziehen.«
    »Heute bin ich nicht wählerisch«, versicherte dieser.
    »Das ist kein Kloster«, erklärte King Edmund.
    »Sondern was?«, fragte Wulfric.
    Ihr Heiliger antwortete nicht, ging stattdessen mit entschlossenen Schritten voraus und bahnte sich einen Weg, als wisse er plötzlich genau, wohin er wollte, obwohl es keinen erkennbaren Pfad gab, dem er folgte, und das Licht nur hin und wieder aufschimmerte, um ihnen die Richtung zu weisen.
    Ihr Fortkommen war langsam und mühevoll, wurde durch Regy und seine Kette erschwert, der allenthalben links um einen Baum herumging, während seine beiden Wärter den Stamm rechts passierten, bis die Kette spannte und die Zwillinge kehrtmachen mussten. Doch schließlich gelangten sie an den Saum des Waldes und erkannten in der zunehmenden Dämmerung, woher der gelegentliche Schimmer gekommen war: Es war ein Licht in einem schmalen Fenster einer

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