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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nächsten Moment führte er einen fremden jungen Mann unter ihr provisorisches Dach, der eine ausgeblutete Wildsau auf der Schulter trug, als sei sie leicht wie ein Büschel Heu.
    »Das ist Henry«, sagte Simon auf Englisch zu seinen Gefährten. »Ein französischer Edelmann, der seine Begleiter verloren und sich im Wald verlaufen hat.« Er warf sein Holz auf den Boden, und Godric und Wulfric, die ihm gefolgt waren, taten das Gleiche. »Viel Glück, King Edmund«, wünschte Godric und rieb sich die nassen Hände an der nassen Hose ab. »Wir haben ihm einen Platz unter unserem Dach für ein Stück von seiner Sau angeboten, und Simon sagt, er ist einverstanden.«
    Luke, Oswald und King Edmund starrten den Fremden mit unverhohlener Neugier an. Grendel kam schwanzwedelnd näher und beschnupperte ihn höflich.
    Losian stand auf, trat einen Schritt auf den Neuankömmling zu und verneigte sich höflich. »Seid uns willkommen, Monseigneur.«
    Der junge Mann sah ihn unverwandt an, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Das Blau seiner Augen war so strahlend, dass es schwierig war, den Blick davon zu wenden. »Habt Dank.« Er ließ die Sau geschickt von der Schulter gleiten und legte sie ins Gras. »Euch und Euren Freunden scheint das Glück auch nicht gerade hold zu sein, wie?« Er lächelte, und es war das unbekümmerte, vorbehaltlose Lächeln eines Schelms.
    Losian verspürte beinah so etwas wie Befremden, als er sich dabei ertappte, dass er es erwiderte. »So könnte man sagen. Man nennt mich Losian. Simon de Clare habt Ihr schon kennengelernt, die Zwillinge ebenfalls. Dies sind King Edmund, Oswald und Luke.«
    »He!«, kam es entrüstet von der Ulme herüber. »Und was ist mit mir?«
    Losian ruckte das Kinn in die Richtung. »Reginald de Warenne. Aber nehmt Euch in Acht. Er trägt das Eisen aus gutem Grund.«
    Der junge Mann wandte sich neugierig um und trat auf Regy mit dem gleichen Mangel an Furcht zu wie auf alle anderen. »Eine eigentümliche Gemeinschaft«, befand er.
    »›Eigentümlich‹ ist ein gar zu harmloses Wort«, entgegnete Regy mit einem verschwörerischen Zwinkern. »Eine Schar Schwachköpfe und Krüppel, und den einzig Normalen haben sie an die Kette gelegt.«
    »Tatsächlich? Und warum mögen sie das getan haben?«
    »Weil sie verrückt sind, warum sonst? Engländer, versteht Ihr? Was soll man erwarten.« Er klang nachsichtig und hatte seinen gesamten, nicht unbeträchtlichen Charme in seine Stimme gelegt.
    Losian beobachtete fasziniert, wie der junge Henry Regy in die Augen sah, ihn durchschaute und als das erkannte, was er war. Das war keine geringe Leistung, denn seit King Edmund ihm Haar und Bart gestutzt hatte, sah Regy aus wie ein vornehmer normannischer Edelmann, den ein böses Schicksal dazu verdammt hatte, eine Mönchskutte und ein Halseisen zu tragen. Man konnte ihm stundenlang in die dunklen Augen schauen, ohne dort je das geringste Anzeichen auf die Abgründe seiner Seele zu entdecken, wenn Regy nicht wollte, dass man sie sah.
    »Ich hingegen glaube, Eure Gefährten haben gut daran getan, sich vor Euch zu schützen, Monseigneur.«
    »So, glaubt Ihr das?«, entgegnete Regy säuerlich. »Und habt Ihr auch einen Namen, mein junger Freund?«
    »Henry Plantagenet.«
    Regy wurde für einen Atemzug seltsam starr. »Henry Plantagenet?«, wiederholte er dann. »Wollt Ihr … wollt Ihr mir weismachen, Ihr wäret der Sohn von …«
    »Welche Schlüsse Ihr aus meinem Namen zieht, bleibt allein Euch überlassen«, fiel Henry ihm schneidend ins Wort. »Ich mache Euch nichts weis.«
    Regy sah kopfschüttelnd zu ihm auf und fing an zu glucksen. »Werft euch in den Staub«, rief er den anderen zu. »Oder in den Schlamm, besser gesagt. Dieser Grünschnabel hier behauptet, er sei Henry Plantagenet. Der Sohn der streitbaren Kaiserin Maud und ihres ungeliebten Grafen, Geoffrey von Anjou. Na los, worauf wartet ihr, ihr ungehobelten englischen Ochsen?« Er fing an zu lachen. »Dieser Milchbart möchte der nächste König von England werden …«
    Er konnte nicht weitersprechen. Sein Gelächter wurde schallend. Er hielt sich die Seiten, rang keuchend um Atem und lachte.
    Henrys Miene hatte sich verfinstert. Er betrachtete Regys unkontrollierte Heiterkeit mit verschränkten Armen, dann stieß er die Luft aus und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Aber Losian war zur Stelle und riss ihn zurück, ehe der wütende junge Franzose in Regys Reichweite kam. »Das ist genau das, was er will«, warnte er.
    Henry befreite seinen

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