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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und die anderen ertrunken waren. Losian nahm Oswalds Hand. »Komm schon. Hab keine Furcht. Es ist nur kalt und nass, weiter nichts.«
    Oswald riss sich los. »Nein!«
    Losian rang um Geduld. »Hör zu, mein Junge …«
    »Ich geh da nicht rein, ich geh da nicht rein, ich geh da nicht rein.«
    Also schön, dachte Losian, dann werde ich dich tragen müssen. Er war nicht sicher, ob er das konnte. Die durchwachte Nacht und der Marsch durch das schauderhafte Wetter hatten ihm viel abverlangt, und er fühlte sich jetzt schon erschöpft. Dabei hatte der Tag kaum begonnen. Aber es half alles nichts …
    »Kann ich mich vielleicht irgendwie nützlich machen?«, erkundigte sich der junge Henry, der unbemerkt hinzugetreten war.
    »Er fürchtet sich vor der Furt«, antwortete Losian.
    Henry nahm den Bogen von der Schulter und streckte ihn ihm entgegen. »Da, halte ihn mal. Sag dem kleinen Angsthasen, er kann auf meinem Rücken reiten. Aber tu mir den Gefallen und lass den Bogen nicht in den Fluss fallen. Er ist ein Geschenk meines Vaters. Nicht dass ich meinen Vater besonders gern hätte. Aber es ist ein hervorragender Bogen.«
    Losian nickte knapp und bemühte sich, seine Erleichterung zu verbergen. Seine Schwäche beschämte ihn. »Henry trägt dich über den Fluss, Oswald. Was sagst du dazu?«
    Oswalds Furcht verflog von einem Moment zum nächsten, wie es so oft der Fall war. »Ich darf huckepack reiten?«, fragte er mit leuchtenden Augen.
    Losian lächelte. »Genau.«
    Henry wandte Oswald den Rücken zu. »Dann mal los, Bübchen.« Er hatte französisch gesprochen, aber Oswald verstand ihn mühelos und sprang mit mehr Schwung, als nötig gewesen wäre, auf Henrys breiten Rücken. Henry taumelte einen Moment, lachte dann, umklammerte Oswalds Beine und schnaubte wie ein Schlachtross.
    Oswald jauchzte, und als der junge Franzose ihn in den Fluss trug, würdigte er das schäumende Wasser keines Blickes.
    Losian blickte ihnen einen Moment nach, schlang sich den Bogen über die Schulter und folgte.
    Alle kamen unbeschadet ans andere Ufer – nasser und kälter denn je.
    »Und was nun?«, fragte Regy, hauchte seine Hände an und steckte sie unter die Achseln.
    »Nun gehen wir weiter«, antwortete Losian, gab Henry seinen Bogen zurück und schritt unbeirrter gen Süden, als ihm zumute war.
    »Du verdammter Narr, wir werden alle draufgehen«, grollte Regy ihm nach.
    Henry ging an ihm vorbei und murmelte: »In manchen Fällen kein großer Verlust, scheint mir.«
    Es wurde der schlimmste Tag ihrer Wanderschaft. Selbst King Edmund musste einräumen, dass East Anglia sich nicht gerade von seiner bestechendsten Seite zeigte. Bis zum Mittag steigerte der Wind sich zu einem regelrechten Frühjahrssturm, vor dem die Bäume des Waldes keinen Schutz boten. Im Gegenteil, sie drohten zur tödlichen Gefahr zu werden, denn allenthalben riss der Sturm ganze Äste ab und schien die schutzlosen Wanderer damit zu bewerfen. Obendrein wurde der Untergrund wieder sumpfig, und sie konnten sich nur vorsichtig vorwärtstasten. Selbst Grendel hatte das Wetter die Laune verdorben. Mit eingeklemmtem Schwanz schlich er neben den Zwillingen einher und drängte sich so dicht wie möglich an Godrics Seite. Oswald wurde unleidlich, weil er erschöpft war und die Füße ihn schmerzten. King Edmund und Luke beteten. Die anderen stemmten sich in grimmigem Schweigen gegen den Wind. Allein Henry Plantagenet schien das Toben der Elemente nichts anhaben zu können. Er betrachtete es mit leuchtenden Augen, beinah so, wie ein siegesgewisser Mann seinen Herausforderer anschaut, und als der Sturm ihm einen abgebrochenen Ast direkt vor die Füße schleuderte, blieb er stehen, breitete die Arme aus und brüllte: »Was ist los mit dir, Gott? Meinst du, ich hätte noch nicht begriffen, dass du mich hier in diesem merkwürdigen Land nicht haben willst? Aber mir ist egal, ob es dir gefällt oder nicht, hörst du? So leicht kriegst du mich nicht klein!«
    Was für ein Glück, dass King Edmund das nicht verstanden hat, dachte Losian und fragte Henry: »Glaubst du wirklich, es ist klug, Gott ausgerechnet hier und jetzt herauszufordern?«
    Henry ließ die Arme sinken. Sein Grinsen hatte etwas Schuldbewusstes, aber nicht, so schien es, wegen der lästerlichen Worte, sondern wegen ihrer Großspurigkeit. »Du willst wissen, was ich glaube? Ich glaube, es ist immer und überall gleich unklug, Gott herauszufordern.«
    »Da hast du recht«, musste Losian einräumen. »Also, warum tust

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