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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Winkeln, leider ohne Fledermäuse, aber immerhin mit ein paar frischen Brocken Rattenscheiße. Geburah hielt Bernadette unten in der Halle in den Armen, als sie wieder vor Glück weinte, ihr überschwängliches Mutterherz ausschüttete, während Sonja und Arne und Dirk-Daniel hohlheulend durch den Staub und das Ächzen der Bodenbretter tobten. Es war so verwunschen hier, so morbide, so romantisch, dass Bernadette in ihr Tagebuch eintrug:
    Ich bin durch den Spiegel getreten und in die mystischen Gormenghast-Schründe meiner Kindheit zurückgekehrt. Wie viele Menschen können schon von sich behaupten, heil zurückgekehrt zu sein? Diesen Kreis geschlossen zu haben? Sieh, Liebster, wie meine Schrift zittert vor Glück. Ich lecke deine Seiten, Liebster, ich liebe dich. Ich glaube jetzt alles, was ich sehe und höre. Ich glaube jetzt an den mächtigen Gott der Tiefen in mir drin.
    Mit von Vernachlässigung zerfetzter Kleidung raubten und verbargen sie sich durch Hangelsberg, töteten und tranken eine alte allein lebende Frau, die fast wie Terpentin schmeckte. In den heiß schwingenden Stunden der Abenddämmerung konnte man die Erben Nosferatus mit verzerrten Schatten durch weite Gärten huschen oder in vertrockneten Astgabeln kauern sehen. Hangelsberg erlebte eine ganz neue Art von Legendenbildung. Keiner wusste etwas Genaues, doch dass es spukte »seit der Wende«, das war jetzt allen klar.
    Aber irgendetwas stimmte noch nicht, irgendetwas hielt das Rudel vom Durchstarten zurück. Tom Cruise, das grinsende Scientology-Arschloch aus Lollywood, würde demnächst in einem Big-Budget-Machwerk den Lioncourt L’Estat spielen. Das Fantasy-Filmfest brachte eine Retrospektive über erotische Vampire. Die Stones waren aus ihren Särgen gehüpft und sangen Suck on the Jugular . Peter Cushing, der charismatischste Vampirjäger aller Zeiten, machte sich zu seiner Frau hin davon und ließ einen tiefen religiösen Hass auf Geschöpfe der Nacht zurück. Arne formulierte, was nicht stimmte: »Man darf auf keinem Fall jemandem, dem man sagt: ›Ich bin ein Vampir‹, das Gefühl geben, sagen zu können: ›Ja, ich weiß, was du meinst, ich verstehe, was du tust.‹ Das ist der erste Schritt zur Bürgerlichkeit.« Vampire schliefen tagsüber und jagten nachts und tranken Blut, das wusste jedes Kind. Okay, der ganze andere Mist mit dem Knoblauch und dem Sonnenlicht hatte für das Rudel nur rituelle Bedeutung, aber dennoch war da ein grundlegender Konservativismus vorhanden, eine stillschweigende Übereinstimmung mit Überlieferungen, die zu revolutionieren sie doch ursprünglich einmal angetreten waren. »Wir haben uns zu lange daran berauscht, dass wir einige von nur ganz wenigen Leuten waren, die Vampire nicht nur bewunderten, sondern die es wirklich wagten, Vampire zu sein«, bestätigte Bernadette. »Wir verharrten aber zu lange in einem von Traditionen abgesteckten Revier. Wir sind ein Rudel in einem Gehege, und die da draußen werfen uns ab und zu ein paar Kastanien zu, mit denen sie ohnehin nichts anfangen können.« Zustimmendes, gequältes Heulen und Jaunern. »Lasst uns einen Politiker killen, lasst uns den Arsch im Rollstuhl aussaugen!«, schrie Sonja und rief damit röhrend verbogenes Gelache hervor. Sie wurde wütend: »Nee, echt! Wir müssen ... einen großen Schock verursachen, einen großen ... Revolution!« Sie verlor den Faden, vergaß verwirrt ihre Wut und setzte sich wieder. Sie schwiegen, zwischen sich nur schwarze Kerzen und ein alter Schweinekopf. Dirk-Daniel hatte die rettende Idee, und er bediente damit schlitzohrig sein eigenes Plaisir: »Vielleicht ... sollten wir einfach aufhören, uns wie Vampire zu verhalten. Warum trinken wir nicht statt Blut etwas anderes? Zum Beispiel Pisse.«
    Das war natürlich ein genialer Einfall: Urin war ebenso wie Blut – und anders als Sperma oder Muttermilch – geschlechtsunspezifisch und außerdem bei jedem Menschen, sofern er sich nicht gerade entleert hatte, in interessanter Menge vorhanden. Natürlich würde es noch schwieriger sein als bei Blut, davon satt zu werden, aber die geringere Menge beim Opfer bedeutete gleichzeitig auch eine erhöhte Exquisität und eine erforderliche Erhöhung der Opferzahl. Und keiner von ihnen hatte jemals von Vampiren gehört, die Pisse tranken. Das war eine Weltneuheit, endlich! Das schrieb Geschichte!
    Bestimmte Regeln mussten aufgestellt werden. Erstens. Männer hatten von Natur aus eine größere Blase als Frauen, man durfte also nicht

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