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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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über eine Regenrinne und mit einem Steckschuss in der rechten Hinterwade.
    Sonja verehrte die Schusswunde, schlürfte und schleckte daran herum wie toll. Dirk-Daniel holte ihm mit weißen Fingern das Metallprojektil heraus. Geburah konnte den roten Wagen mit der blauen Krone nicht vergessen und erzählte von Seelenfähren und den wallenden Stimmen der Loreley-Sirenen. Arne verfolgte begeistert jede Fernseh- und Zeitungsnachricht von dem »grauenvollen Blutbad in der Jacobsohnstraße«. Bernadette zog Schlüsse und zündete die Beschleunigung.
    »Man hat dich gesehen, Geburah«, sagte sie so beherrscht wie möglich. »Von jetzt an wird man dich jagen mit allem, was dem Staat zur Verfügung steht. Ihre toten und tauben Computer werden Verbindungen aufzeigen zu dem, was wir bislang getan haben, und die Jagd wird sich auf uns alle ausweiten. Mit der kalten und gefühllosen Präzision von Befehlsempfängern werden die Diener der Sonne kommen, um uns Mondengel zu vernichten. Sie werden uns nicht einfach nur einsperren und vor Gericht stellen, nein, sie werden uns verschwinden lassen, auslöschen, wie sie es mit allem tun müssen, von dem die Bevölkerung nicht erfahren darf, weil es zu viel Kraft hat und wahrhaftig ist. Von jetzt an können wir keine Streuner mehr sein, keine schlafwandelnden Poeten der Dämmerung. Von jetzt an sind wir Gejagte, rituelle Beutetiere einer geronnenen Zivilisation. Wir stehen unter Beschuss. Jeder von den Zombies da draußen ist nun entweder ein Bulle in Zivil oder ein noch zögernder Denunziant. Wir müssen jetzt schneller leben, denn ich mache mir da keine Illusionen – wir haben nicht mehr lange.«
    »Das ist schön.« Dirk-Daniel lachte. »Das hat Todessehnsucht, das ist romantisch, aber ich glaube nicht daran. Ich glaube vielmehr, dass uns die Zukunft gehört. Die farblose Sonne der Büromänner und Supermarktfrauen wird immer weiter sinken, und die leuchtenden ... die leuchtenden ...«
    »Geschwüre der Lichtlosigkeit«, half ihm Arne aus.
    »... und die leuchtenden Geschwüre der Lichtlosigkeit werden aufblühen in Glorie. Alle, die wollen, werden werden wie wir, und immer mehr werden wollen, bis endlich alle wollen.« Sonja bekam einen hysterischen Lachanfall, roten ziehenden Schleim zwischen ihren leider viel zu kleinen Eckzähnen. Das Rudel verfiel in eine alberne Balgerei und Beißerei, wieder wie Welpen. Geburah lächelte das glückliche Lächeln eines Sterbenden, und Bernadette spürte wieder diese überwältigende Liebe in sich aufschäumen. Es war so schön, so unglaublich schön, keine Angst mehr vorm Tod haben zu müssen. Sie fühlte sich so sehr im Einklang mit der Welt, sie musste wahrlich ein wiedergeliebtes Geschöpf Satans sein.
    »Ich denke nicht«, sagte sie, und die fehlfarbigen Implikationen dieser ersten drei Worte machten sie beinahe zu einer Mambopartnerin der Epilepsie, »ich denke nicht, dass immer mehr wie wir Jünger der Blutschwärze werden. Aber ich denke auch, dass das gut ist so. Lasst uns doch unsere ursprünglichen Ziele nicht vergessen. Lasst uns doch einfach weiterhin eine Vorhut sein, Auserwählte, Forscher, Erfinder und Entdecker. Wir sind Vampyre und keine Rockstars oder so was, wir brauchen keine Folgschaft.«
    »Einsamkeit ist unser Umhang«, flüsterte Geburah strahlend.
    »Wir bringen Frieden«, vollendete Bernadette.
    »Hat mal jemand was zu trinken?«, fragte Sonja aufstoßend.
    Also die Beschleunigung. Darin waren sie einig.
    Beschleunigung brauchte nun doch einen festen Untergrund. Wenn man auf einer instabilen Grundlage Gas gab, drehten nur die Räder durch, und sonst passierte nichts, und durchdrehen war nicht ihr Ding, sie gingen lieber generalstabsmäßig vor.
    Geburah suchte und fand eine wunderschöne vielzimmrige und in gutem Zustand verlassene Villa in Hangelsberg, einigermaßen bequem mit der Berliner S-Bahn erreichbar und somit mit wichtiger Großstadtbindung. Das Gebäude selbst war Norman Bates’ Traum von einem Grand Hotel, schwarzes, splitteriges, vielgiebeliges Holz mit Veranda und einer Art vierstöckigem Turm. Der Garten war verwildert und gehörte Igeln, die Fensterscheiben hatten im Laufe der Jahre ein unnachahmliches Braun angenommen. Drinnen standen nur noch wenige Möbel, aber – bei Belial! – waren der Keller und der Dachboden großartig. Unten eine tiefer als nur in Schwarz gehüllte Gruft mit dem Geruch obsessiver Grabschändungen, und oben ein borgesianisches Labyrinth von Pfeilern und Kaminsäulen und

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