Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
für das Rudel zu finden und anschließend auszuspionieren. Abgesehen von ein paar unkontrollierbaren Rückfällen in die Niederungen der Koprophagie, bei denen er sich unter anderem auf offener Straße frische Hundescheiße auf die Zunge schmierte, hatte sich Dirk-Daniel bei seinen Tagesfahrten so weit unter Kontrolle, dass er dem Rudel tatsächlich ein wertvoller Kundschafter wurde.
Den deutlichsten und wundervollsten Wandel machte jedoch Guido durch. Er gab sich aufgrund von Bernadettes Lektionen sogar einen neuen Namen und nannte sich fortan Geburah, was so viel bedeutete wie »Stärke, verbunden mit gerechter Vergeltung und der Vermeidung von Verschwendung«. Er wurde der eigentliche Jäger und Todbringer des Rudels. Als der ausgesprochen kraftlose Erstwinter des Jahres 1994 dem überall ungestüm hervorberstenden Frühling wich, konnte man den ehemaligen Dachdecker Geburah nachts nackt und mit blutverschmiertem Maul und Unterarmen auf den Firsten von Dächern der Innenstadt stehen und manchmal sogar tanzen sehen. In Zivil – also nachts, denn sie begannen ganz instinktiv, das Tageslicht zu meiden – trug er ein T-Shirt, das Bernadette ihm designt hatte: MY LIFE BEGAN WITH BLOOD AND PAIN – WITH BLOOD AND PAIN I LIVE stand in roten Lettern auf der Vorderseite. Vampirsein war nichts Selbstverständliches. Es war ein Lifestyle.
Wie bereits erwähnt, schlugen sämtliche Versuche des Rudels, mit echter dämonischer Magie in Kontakt zu treten, kümmerlich fehl. Das und die Tatsache, dass die fünf, seit sie Vampire geworden waren, sich nicht mehr genital austobten, setzte in ihnen allen verblüffende Aggressionsenergien frei. Das erste der vier Opfer, die ihre neonfahlen Umtriebe bis zum Mai forderten, wurde noch an Ort und Stelle regelrecht in seine Einzelteile disintegriert. Es handelte sich dabei um einen fettärschigen Vorstadtjüngling in hellblauem Jogginganzug, dessen gurgelnde Bemühungen in einem struppigen Parkgebüsch ihr Ende fanden. Das Rudel zerriss ihn regelrecht mit bloßen Händen und wrang jeden Fetzen Fleisch auf das Peinlichste aus, um auch ja nicht das kleinste Quäntchen Lebenssaft verkommen zu lassen. Nur drei Tage später nahmen sie sich dann aus einer Laune heraus gleich zwei dumpfe Lederjackenmachos auf einmal vor. Geburah stellte sie in der wackligen, überdachten Fußfängerführung eines endlos mit Howard-Carpendale-Verlogenheiten plakatierten Bauzauns und erschreckte sie mit seinem verfremdeten Gestizismus fast zu Tode, bevor Arne und Dirk-Daniel über den Zaun langten und die beiden auskeilenden Opfer in den sandigen Opfertrichter zerrten. Nachdem die beiden Frauen den gar nicht mal hässlichen Halbstarken mit bloßen Zähnen die Kehlköpfe und Zungenwurzeln durchgebissen und -gekaut und sie nackt ausgezogen hatten, wurden die im wahrsten Sinne des Wortes jeglichen Zusammenhalt verlierenden Kumpels dreieinhalb Stunden zu Tode gefoltert, mit allem, was sich auf einer Baustelle eben auftreiben ließ – und unter keifender, aufgeregter Beachtung der Blutvernutzungsdirektive. Das vierte Opfer kam immerhin erst zwei Wochen später; diesmal war es wieder eine Frau, diesmal wurde sie von Geburah nur mit dem Kopf unter Wasser in einem Zeuthener Privatswimmingpool ersäuft, während Bernadette und Arne an ihren Kniekehlen hingen wie bleiche Holzböcke und saugten.
Die zwei Wochen zwischen den Gefäßen 2 und 3 und dem Gefäß 4 waren eine merkwürdige Zeit gewesen. Sie waren geprägt von einer merkwürdigen Panik und Melancholie, dass es so ja nicht ewig weitergehen konnte, dass man ja wohl unmöglich weiterhin in dermaßen schneller Folge Menschen töten konnte, ohne irgendwann die ganzen zivilen Sondereinsatzkommando-Van-Helsings auf den Plan zu rufen, die der feiste Minister Rühe zweifelsohne eilfertig heranzüchtete. Sie behalfen sich da noch mit Überbrückungen, spendeten sich gegenseitig Blutschlückchen, soweit sich überhaupt noch Adern finden ließen, die nicht schon verdammt leerkathetert waren, tranken als einzig akzeptablen Ersatz viel von Arnes geliebtem Rotwein und versuchten sich mit rohem Rindfleisch und den unvermeidlichen Blutbeuteln, die von dem darin mittlerweile unfehlbar gewordenen Arne gestohlen und dann wie Mr. Freeze -Gefrierfacheisstäbchen ausgenuckelt wurden, vorm Verdursten zu bewahren. Dieses »Verdursten« war interessanterweise in erster Linie ein psychologischer Vorgang. Sonja probierte es einmal aus: Natürlich konnten sie noch Gin und Bourbon, ja sogar
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