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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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im Tanzschritt ins Neon hechten zu können. Hiob bestellte tinto , den schwarzen, landesüblich zuckerknirschenden Kaffee, und Diana wollte Tee mit viel, viel Rum.
    Beim Anheben und Ansetzen vibrierte der tinto in Hiobs Tasse wie eine dicke, ledrige, frierende Haut, und Hiobs Gesicht war beim Trinken geradezu schmerzverzerrt. Seine Stirn war weiß wie Papier und strahlte Hitze aus, die Haare vorm Gesicht zitterten.
    Diana schüttete die bereits abgetrunkenen Teeschlucke in ihrer Tasse mit dem aguardiente auf und beobachtete den Mann, dem zu folgen sie jetzt bereit war, als müsste sie bei näherem Betrachten ein Motiv für ihre eigenen Gefühle erkennen können.
    »Sag mal, was ist denn eigentlich mit dir los. Du wirkst auch nicht gerade gesund.«
    Hiob versuchte zu grinsen, während der Kaffee ihm wie eine entrollte Lakritzschnecke die Speiseröhre hinabhing. »Ich hab so was Ähnliches wie du, auch so eine Art Immunschwäche. Ich fange mir dauernd die merkwürdigsten Sachen ein. In Berlin zum Beispiel habe ich erst letzte Woche während einer Incubus-Messe eine Art narkoleptische Herzattacke ...«
    »Was ist eine Incubus-Messe?«
    »Eine Incubus-Messe ist eine Art Schwarze Messe, die du während einer Weißen Messe abhältst, das heißt, du gehst zu einem normalen Gottesdienst und verkehrst heimlich, still und leise, oder auch flüsternd, alles, was der theologische Schwätzer von der Kanzel herab verbreitet, ins korrekte Gegenteil. Ist ein bisschen wie Industriesabotage, du versteht schon. Na, jedenfalls bin ich weggekippt wie ein herzkranzverfetteter Trainingsanzugproletarier vor der Glotze, wenn Silvia Kristel zum achten Male wiederholt wird, und kam prompt ins Krankenhaus. Da hatte ich dann Verstopfung, aber das ist im Krankenhaus ja wohl eher normal.« Er kratzte sich am Kopf und betrachtete dann missbilligend die Hautschuppen unter seinen Fingernägeln. »Weißt du, der biblische Hiob hat einen total üblen, stinkenden Hautausschlag am ganzen Körper gehabt, einen von der Sorte, die jeden Samariter zum Kotzen bringt. Bei mir läuft das ein bisschen anders. Ich hab mal dicke Pusteln zwischen den Schulterblättern, dann krieg ich schweißige Fieberanfälle beim Einkaufen oder auch schon mal einen elektrischen Schlag, wenn ich einen hölzernen Salzstreuer berühre, ganz so, als würde ich mit einem nicht isolierten Schraubenzieher in einer Steckdose herumfummeln. Der Hit jedoch ist eine ulkige Form von Skorbut, die ich jetzt schon dreimal für jeweils etwa ’ne Woche bekommen habe, ganz gleich, wie viele Orangen ich fresse. Zahnfleischbluten, als wenn mir jemand einen Schlagring ins Maul gehauen hätte, und Mundgeruch wie von Schering. Ich bin wohl wirklich noch’n ganzes Stück unappetitlicher als der übelste Typ, mit dem du je abgehangen hast. Wahrscheinlich hab ich beim Paktieren irgendeine mistige kleingedruckte Klausel übersehen.«
    »Was hat es mit diesem Pakt eigentlich auf sich?«
    »Babe, das lohnt sich nicht, dir das zu erklären. Vier Jahre reichen nicht aus, um das Ganze zu erfassen.«
    Diana schnaubte gekränkt, füllte ihre leere Tasse ganz mit Rum. »Du bist ein Misanthrop, hab ich recht? Ein misogyner Misanthrop noch dazu. Es macht dir Spaß, andere Leute wie Scheiße zu behandeln. Ich frag mich echt, ob du dich nicht selbst belügst, wenn du behauptest, dass du das, was du tust – was immer das auch ist – tust, um Leben zu retten.«
    »Als ich das sagte, sagte ich doch gleich dazu, dass ich mostly mein eigenes Leben rette. Ich habe nicht gelogen. Sieh mal, du hast dir deinen Virus eingefangen, weil du dich nicht beherrschen konntest. Ich aber hatte überhaupt keine Wahl. Ich bin krank geboren worden, mit irgendso einer Scheißallergie, für die es keinen lateinischen Namen gibt. Ich war allergisch gegen Gewalt und Gräuel und Ungerechtigkeiten. Ich verreckte Tag für Tag mehr an einem in unserer heutigen Zeit geradezu destruktiv luxuriösen Defekt namens Gewissen.«
    »Oho.« Diana lachte ironisch auf. »Ein narzisstischer, misogyner Misanthrop. Das wird ja immer doller.«
    Hiob winkte ab. Ihre Reaktion ärgerte ihn. Es ärgerte ihn ohnehin schon, versuchen zu müssen, sich zu erklären, aber ihr im Grunde genommen natürlich berechtigter Zweifel an seinen abstrakten Lebenslogarithmen machte ihn noch wütender. Zweifel war über Jahre hinweg sein Schlafbruder gewesen, bis er ihn erschlagen hatte, wie Kain Abel erschlug. Es war jedes Mal von Neuem gefährlich, wenn Abel wieder auftauchte,

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