Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
sondern ein riesiges, rosagekochtes Etwas aus dem Fleisch unzähliger ihrer kommerziell weiterverwertbaren Organe beraubter und schließlich in diesen Pfuhl hier entsorgter Leichen von ermordeten geistig behinderten Menschen.
    Juan Funo bekam mehrere Eimer von der heißen, beißenden und zähflüssigen Abfallsuppe gegen den Leib, und als das unförmige nackte Ding dicht neben ihm ans müllige Ufer platschte, fiel er rückwärts auf den Arsch und schlidderte ein wenig durch den nur leicht überwucherten und von verwehter Erde begrabenen Unrat, aus dem die ganzen Hügel, der ganze Stadtrand, ganze Stadtteile hier bestanden. Er landete, die eigene Zunge tief in der Speiseröhre, in einer fruchtbaren Kolonie von verfaulenden Fischabfällen und -skeletten, in der er zum ersten Mal in seinem Leben transparente Maden von der Größe kleiner Finger wimmeln sah, in denen deutlich zu erkennen weitere Maden herumzappelten und sich offensichtlich vom Inneren ihrer Wirte oder ihrer Mütter oder um was für eine Art von Verhältnis es sich auch immer handeln mochte ernährten. Juan Funo patschte mit beiden Händen in dem lebendigen Müll herum und würgte unter rasenden Schmerzen seine Zunge wieder hoch. Die Kreatur mit den vielen nicht zusammenpassenden und weich deformierten Gliedmaßen und den Knochenauswüchsen überall am kuhgroßen Leib lag noch immer am Rande des Loches und wälzte sich wie ein verbrühtes Schwein hin und her, ohne ein Oben oder Unten, Vorne oder Hinten erkennen zu lassen. Wie eine nasse Spinne oder ein verstümmeltes Insekt ließ sie die Dutzende von unförmigen Extremitäten immer wieder unkoordiniert nach allen Richtungen ausschlagen, und einer der Armbeinflügelfühler, dessen Ende die dreifingrige Hand eines kleinen Kindes war, strich Juan Funo beinahe sanft, aber völlig zufällig, über das Gesicht, was diesen aus seiner Paralyse herausriss und ihn mit heiseren Schreien in verschiedene Richtungen durch den Abfall und Schrott ringsum davonschliddern und -straucheln ließ, bis er sich schließlich auf die naheliegendste Hilfe besann und auf das hässliche, grau verputzte Gebäude der Término-Venturoso-Anstalt zurannte, über die alte, niedrige Mauer, die die Krankheiten vom Müllfriedhof nur unzureichend trennte, hinwegstrampelte und durch das saftlose Gras immer noch krächzend und japsend auf eine nur angelehnt scheinende Hintertür zuhielt.
    Die Tür war aus schwerem Holz, aber tatsächlich nicht geschlossen, und Funos fischig-faulige Finger konnten sie mühelos aufdrücken. Dahinter war ein von billigem, verschmiertem Neon erhellter Schlachtraum, der nach Formalin und Blut und schlechter Verdauung roch und in dem einige nackte Menschenleichen auf Holztischen von mehreren Krankenpflegern mit Lederschürzen, Gummihauben und sägeartigen Messern und Fleischeräxten und Pinzetten und Schläuchen geflissentlich ausgeweidet wurden, und in dem eine der Leichen auf einem der Tische noch zuckte und stöhnte, und in dem mehrere der Pfleger Juan Funo unglaublich blöde anstierten, einer jedoch mit einem rostigen Messer auf ihn losging und ihm die Klinge zwischen Schlüsselbein und Hals rammte, und in dem Juan Funo wieder sabbernd zu schreien anfing und seinen Angreifer mit dem verzerrten Gesicht in einen Schürzenhaken drückte und durch dieselbe Tür wieder hinausrannte, blutend wie ein angestochenes Fass, und immer wieder lallend-fallend den längsten Weg in die Stadt hineinfand.
    Inspektor Ipucherez hatte zwar in diesen Pausenstunden zwischen den Wehen des Carneval Joselito mehr als genug zu tun, denn zum Beispiel erst vor zwei Stunden hatten sich zwei Strichjungen mitten auf dem Paseo Bolivar gegenseitig die Hinterköpfe weggeschossen, aber den drängenden Argumenten eines Mannes mit einem Messer im Hals und madigen Fischschuppen an den Händen konnte er sich wohl schlecht verschließen.
    Lagrima spürte am Stocken ihres Rückenmarks, dass sie an der Reihe war.
    Die Tür ihrer Zelle schwang weit, weit auf und röhrte dabei wie mit Bauchschuss. In der Öffnung war erst mal nichts zu sehen als Gelb.
    »Waschen, Lagrima, Zeit zum Waschen!«, brüll-lachte die Stimme des Zwiebelpflegers, »komm Duschen, Lagrima, Zeit zum Duschen!«
    Ihre Zelle hatte zwölf Seiten, und alle waren fünfeckig, und alle konnten sich wie ein lallendes Kaleidoskop ineinander drehen und eins werden.
    Diesmal jedoch machten sie tatsächlich nichts anderes mit ihr, als sie mit einem dicken Schlauch eiskalt abzuduschen, und diese

Weitere Kostenlose Bücher