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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Blut, das nicht mehr warm genug war, um zu wärmen. Sie war so stark gewesen in Berlin, so tapfer bei Engel Annemarie Schult, so kalt bei der Planung und im Reisebüro, jetzt schrie sie, schrie und wand sich blutig, und betete zu allen Gesichtern, an die sie sich noch erinnern konnte, dass der Hotelbesitzer auftauchte und ihr einen borkigen Holzpflock durch den Pickel über ihrem Herzen oder durch den hartgeschrumpften Magen oder durchs Maul ins Hirn trieb, nur schnell, schnell musste es gehen und keine Reue dulden.
    Tatsächlich ging die Tür auch wieder auf, aber es war nicht der rasende Abschaum von der miesen Rezeption. Es war Hiob, ruhig, kopfschüttelnd. Er warf ihr den gleißendroten Rock aufs Bett.
    »Hier. Zieh dich an. Und tu mir den Gefallen und hör auf zu schreien. Ich kann jetzt wirklich keine Policia-Geschichten haben. Erst recht nicht in Kolumbien.« Als er sah, dass ihre Handschlagader wieder blutete, saugte er zischend Luft ein, stapfte runter zum Portier, ließ sich die dritte Packung Kleenex auf die Rechnung setzen, lief wieder hoch, setzte die schon angezogen im goldenen Fenster schwankende Diana auf das verschmierte Bett zurück und verband sie von Neuem mit einer improvisierten Druckkompresse und ein paar Lagen reinem Tuch.
    Sie atmete gegen sein Haar, versuchte störrisch, ihn zu umarmen, sich beim Aufstehen an ihn zu hängen. Er ließ es geschehen. »Hast du Geld?«, fragte er. Sie nickte. Mit dem freien Arm rupfte er das blutige Laken vom Bett, schmiss die Zudecke über den kalten Urinfleck und nahm das Laken zusammengeknüllt mit raus. Diana bezahlte das Zimmer für den angebrochenen zweiten Tag, die Kleenex-Packungen, das Laken, das Hiob mürrisch auf den Tresen warf, den Tip für ein gutes Frühstückslokal. Der Rezeptionist stellte keine Fragen. Er hatte schon genug Paare erlebt, von denen nur die eine Hälfte wieder auf eigenen Beinen rausging.
    Fliegen surrten durchs winzige Foyer, krepierten schmelzend an den gelben Klebestreifen, Fliegen wallten auch draußen wie Heuschrecken zwischen den Häusern herum, wo am Horizont der Straße schon wieder Rumba-Gepfeife und -Getöse erwuchs, denn der Karneval ging weiter, war noch nicht satt, hatte noch nicht genügend Tote gefordert, war immer noch, zwar schon mit Schmerzen, aber zwanghaft-mechanisch, mit nichts anderem zu tun, geil.
    »Eigentlich komisch«, stellte Diana fest, im Sonnenlicht blinzelnd und ihre Sonnenbrille vermissend, die in Berlin in einem ihrer früher so gern getragenen eleganten Blazer steckte, »wir haben im Zimmer nicht eine einzige Fliege gehabt. Die sind sonst überall.«
    »Fliegen mögen mich nicht«, stellte Hiob sachlich fest. »Fliegen, Hunde und Raben stehen auf SEINER Seite.«
    »Wo gehst du jetzt eigentlich mit mir hin?«
    »Wir suchen eine Irrenanstalt namens Término Venturoso. Du kannst mir helfen, die Verantwortlichen abzulenken, während ich mir einen Weg durch all die kleinen und großen Monster bahne, um König Karneval zu stoppen.«
    »Du bist wirklich total übergeschnappt, nicht wahr? Du bist noch viel verrückter, als ich es je sein werde.«
    »Klar.« Er grinste. »Ich bin Hiob. Was hast du erwartet? Gott straft mich halt für meine Reinheit.«
    Wenn es wahr ist,
    dass eine psychiatrische Anstalt
    wie ein trubelnder Zirkus ist,
    den man tief begraben hat,
    um vor ihm sicher zu sein,
    dann hütet Euch
    vor dem Mann
    mit dem Spaten

c) Glückhafter Ausgang
    Glück? Toll!
    Glücksmoment? Tollkühn.
    Glücksgefühl? Tolldreist.
    Glückssache? Tollkirsche.
    Glückskind? Tollwut!
    Glückhaft? Tollhaus! Tollhaus! TOLLHAUS!!!
    (Lagrima)
    Während Barranquilla sich, die verschwitzte Stirn walartig nach vorne gewölbt, die fast methylblinden Augen zu roten Falten zerkniffen, unbelehrbar voranschleppte, vom Kater und der inneren Austrocknung zermürbt und gepeinigt, aber dennoch nicht bereit aufzugeben, auf allen wundgewetzten vieren vorankroch in einen weiteren Tag des brüllenden Glücks und der spasmischen Schussfahrten, mit stetig lauter werdendem Stöhnen unter Aufbietung aller ganzjährlich gesammelten Kräfte sich robbend weiter in den weichen, heißen Karneval hineinschraubte und -quetschte, während die Stadt also unterwegs war auf der Flucht vor sich selbst, kehrten Hiob und Diana in eine sirupartig klebende Cantina ein, in der Tageslichtleichen in Barhockern festgeklemmt auf das Herunterdimmen der Sonne warteten, um dann ihre langen, spirligen und Fäden ziehenden Gliedmaßen zu entfalten und sich

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