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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Flugzeugen und den schachbretthaft leuchtenden Fenstern in den Hochhäusern. Er konnte die Arme ausbreiten und das verheißungsvolle Tönen der Martinshörner unter sich selbst in den fernsten Straßen mit den Fingern mitverfolgen, sogar lenken, jenes lieblichst wallende Geräusch. Die Sehnsuchtssirenen vereinigten sich unter seinen ordnenden Händen zu einer Choreographie aus zerdehntem Blau und beständigem Rot, und in einer großartigen Eingebung konnte Geburah Napalmexplosionen in allen Häusern ringsumher aufblühen lassen, orangefarbene Flammenpilze, die sich gegenseitig und aufeinander aufbauend verstärkten und erhöhten, von Gebäudetrümmern patiniert, immer höher, immer höher aufsteigend, bis die Unterseite der Wolkendecke selbst zu brennen anfing und sich als bläulich rauschendes Lauffeuer der gesamte Himmel entzündete. Geburah konnte sich drehen und drehen, und über ihm würden Strudel das Napalmmeer in Wallung und Bewegung bringen, schwarze Spiralschlieren würden von ihm aus aufsteigen, bis der urgewaltige Schmerz einer Sonneneruption sich von der Erde aus in einem kosmischen Brückenschlag durch die kalte Tiefe des Alls bohren würde, allen außerirdischen Lebensformen zum Zeichen seiner Existenz und Freude.
    Geburah setzte mit wenigen schliddernden Sprüngen die einwärts gewandte Dachschräge hinab, hüpfte die anliegende Schindelsteigung des Scheddaches hinauf, sprang an eine große Antenne mit Satellitenschüssel, hielt sich an Querstangen fest, drehte durch seinen Eigenschwung knirschend die unten lieb gewonnenen Fernsehkanäle aus ihren ätherischen Verankerungen, ließ los, rutschte auf dem Hosenboden die dahinterliegende Senke hinab auf die Straßenschlucht zu, stieß sich dicht oberhalb des Traufengitters ab, flog mit weitestgebreiteten Gliedern über die elektrisch glorifizierte Nebenstraße hinweg, bekam am gegenüberliegenden Haus Regenrinne und Dachpfannenstufe zu fassen, stieß sich mit den Füßen von der rauverputzten Hauswand ab und kam nach einem vollendeten Rückwärtsüberschlag auf einer neuen Firstschräge zum Stehen. Ein immer wieder aufregend neuer Durst trieb ihn auch diese Nordwand hinauf, bis er wie ein beschleunigter Schlafwandler den Gipfelgrat entlangrannte auf der witternden Suche nach einem Weiterkommen. Er traute seinen Augen kam, als er linkerhand unten an der Dachkante jemanden sitzen sah und diesen jemand sogar erkannte. Es war der lächerliche Magier, den Bernadette gestern tagsüber ins Haus geschleppt hatte. Der Schwächling saß da in dreißig Metern Höhe wie ein Haufen Vogelscheiße, ließ die Beine in die Tiefe baumeln und summte vor sich hin.
    Geburah musste zweimal ausspucken, um den Mund speichelfrei genug zu bekommen, um verständlich reden zu können. »He, du, Magier! Was machst du denn hier im Himmel? Haben sie dich unten alle ausgelacht?«
    Der Angesprochene schaute nicht mal auf, fing aber an zu reden. »Es gibt da so ’nen komischen skandinavischen Kinderfilm über einen fetten rothaarigen Flegel, der mit einem Propeller im Arsch über die Hausdächer knattert. Das ist die Geschichte deines Lebens, stimmt’s?«
    Geburah grinste, bis seine Unterlippe vor Schmerz puckerte. »Du hast wohl immer noch nicht genug. Wo soll ich dich denn diesmal gegenwerfen – gegen einen Schornstein?«
    »Gestern hast du mich überrumpelt. Du kamst von oben – und von hinten, wie ein Feigling oder eine Schwuchtel. Bist du denn etwa eine Tucke, Guido? Ein warmer rosafarbener Dach-Decker?«
    »Wenn ich sagen würde, ich bin Gott, wie würdest du mir das Gegenteil beweisen wollen?«
    »Ganz einfach: Ich tret dir in den Arsch, dass dir deine kariösen Vegetarierzähne rausbrechen.«
    »Das wollen wir doch mal sehen.«
    Geburah wollte den Vorteil nutzen, dass sein Gegner sich noch immer nicht aus seiner sitzenden Position erhoben hatte, und mit wenigen weiten Sätzen die Schindelschräge diagonal hinabspringen, um über den Magier herzufallen, aber etwas Seltsames passierte. Schon nach dem ersten Sprung fand sein landender linker Fuß keinen richtigen Halt, sondern wurde mitsamt der sich aus ihren Verfugungen lösenden Dachziegel nach außen und unten gerissen. Geburah schlug schwer und von der eigenen Geschwindigkeit zusätzlich abwärts gedrängt auf den mattroten Schindeln auf, die sich jetzt alle rutschend und splitternd zu lösen begannen, so als sei keine einzige von ihnen mehr richtig fest auf der Dachfläche verankert, sondern sie alle nur lose und delikat

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