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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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konnte er hier sterben.
    Bernadette sah ihn schwanken, ergriff seine Hand und zog ihn an ihr überirdisch schönes Lächeln heran. Ihre Lippen umspielten einander wie tobende Jungtiere, für einen Moment war Hiobs ganzes Gesicht unter seinen Haaren nicht mehr zu sehen, dann wieder stand er weit zurückgebeugt auf einer Treppenkante, die Bruchsekunde vor dem Sturz, und das bleiche Mädchen mit dem rot verschmierten Mund zauberte ihn zu sich zurück. »Ich liebe dich, Hiob. Ich kann wieder trinken.« Hiob wollte etwas sagen, aber er konnte nur Schleim in seiner Kehle hochwürgen. Mit einer entschuldigenden Geste klaubte er sich ein paar Papiertaschentücher aus der Hosentasche und drückte sie auf seine stark blutende Halswunde. Die intensiv königliche Farbe seines eigenen Blutes machte es ihm leichter, sich wieder zurechtzufinden. Auf allen vieren schwitzend erreichte er das Labyrinth der Dachbalken und Kamine.
    Linkerhand dahinten ging es hoch in den Turm, es ging immer noch weiter, Bernadette zog an ihm, aber er wehrte sich jetzt, lachte und sagte, es ist viel zu heiß hier, noch höher wolle er nicht gehen. Aus der spitzwinkligen Dunkelheit oben hing in einer merkwürdig verzerrten Haltung der Leichnam eines sehr alten Mannes herab, von mehreren Schnüren und Seilen im Schweben oder Fallen oder Aufsteigen gehalten, die Harnblase und die Kniescheiben freigeknabbert. Hiob stieß strauchelnd gegen eines der Seile, und der Tote zitterte und hampelte in seinen Verstrebungen wie eine halb zertretene Spinne. Hiob streckte den rechten Arm aufwärts aus, um die Bewegung fernzuhalten, als ihm von oben herab ein gewaltiger Flughund auf die Schultern sprang, schreiend an seinem Kopf schraubte, dann an dem Stürzenden herabglitt, ihn packte, hochriss und mit beiden Armen gegen einen staubplatzenden Hochbalken warf. Hiob prallte schwer auf die Bretter, konnte nicht mehr atmen, nur noch stoßweise würgen, wälzte sich verkrümmt herum.
    Geburah, dessen Oberkörper nackt und dessen blonde Haare mit Verwesungsbrei gegelt waren, posierte breitbeinig um Hiob herum und lachte. »Gute Arbeit, Bernadette. Ein junges, kräftiges Gefäß. Hast du ihm ordentlich zu trinken gegeben vorher?« Er beugte sich vor, schleifte Hiob an den Haaren, endlich konnte Hiob gellend schreien. Bernadette durchhieb mit beiden Händen Geburahs Griff. »Nicht! Hör auf, Geburah! Der ist nicht für dich! Der ist anders.« – »Anders?« – »Ja. Er gehört mir.« – »So ist das.« – »Ja, so ist das. Außerdem ist er kein Opfer.« Geburah schaute verblüfft auf den sich am Boden windenden Kerl hinab und lachte dann laut. Da er sich selbst mit einem alten Taschenmesser die Eckzähne spitzgeschnitzt hatte und deshalb dauernd offene Lippenwunden im Maul hatte, sah dieses Lachen wahrhaft ehrfurchtgebietend aus. »Der soll kein Opfer sein? Was unterscheidet ihn denn bitte schön deiner Meinung nach von einem Opfer?« Bernadette ging neben Hiob in die Hocke und kümmerte sich um ihn. »Er ist ein Magier, Geburah. Er ist echt. Er kann uns helfen, so wie er zu werden.«
    »Hah«, machte Geburah abschätzig und rüttelte wütend an den Leichenseilen, bis eine Handvoll kleiner Maden zuckend über den Boden rollte. »So wie der würde ich wohl kaum werden wollen, Vampyra. Wir sind doch jetzt schon mehr als er.« – »Wir sind nur Scheiße, Geburah. Und wir haben keine Chance auf Dauer. Arne und Dirk-Daniel sind schon tot, wer weiß, wo Sonja abgeblieben ist. Solange wir gegen die Pistolenkugeln von normalen Bullen nicht immun sind, was meinst du, wie lange wir da durchhalten können? Wir brauchen viel mehr Macht als nur körperliche Kraft. Ich arbeite dran, Geburah. Vertrau mir doch.«
    Geburah sah sie an. Seine fast idealen Gesichtszüge waren durch die Schwellung seiner Mundpartie höchstens noch tiefgründiger geworden. »Und was, wenn ich ihn jetzt töte? Wie stark wirst du danach noch daran glauben, dass uns irgendjemand überlegen ist?« – »Wenn du ihn tötest, tötest du auch mich. Er und ich sind durch ein Blutsband miteinander verbunden. Sieh her, sieh seinen Hals, ich habe von ihm getrunken, jetzt gerade eben. Ich liebe ihn.« Hiob rappelte sich in Bernadettes Schoß langsam auf, immer noch nur in Pressschüben atmen könnend.
    Geburah schlug mit der Faust gegen einen Balken, ohne etwas dabei zu spüren. Dann stand er eine Zeit lang unschlüssig herum, bis er nach oben griff und sich mit einem perfekten Felgaufschwung auf einen Quersparren hochzog.

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