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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Unterleib marodierten, konnte nur staunen und sich selbstironisch gratulieren, dass er unter all dem verkommenen, nutzlosen Pack in Barranquilla ausgerechnet einer Spezialistin für Öffnungen und Eingänge das Leben gerettet hatte.
    Er versuchte sich zu konzentrieren, versuchte ein Bild klarzubekommen von dem Prognosticon, das ihn erwartete, aber er empfing nichts, nichts außer einem verschwommenen, fahlen Brei aus hochbeschleunigten Hospitalismen und kotverschmierter Nacktheit. So bitter war dieser flüchtige Eindruck, dass er seine unterräumlichen Fühler gleich wieder einzog, als hätte ihm jemand mit einem Rohrstock draufgeschlagen. »Na gut, du arroganter Wichser«, sagte er zu seinem unsichtbaren Widerpart. »Jetzt schieß mir mal ein bisschen Power zu, damit ich dir ein sauberes Infotainment-Potpourri-Feuerwerk bieten kann. Zeig mir mal, aus welchem Holz unser Pakt geschnitzt ist.« Unerwarteterweise erhielt Hiob sogar so etwas wie eine Antwort – ein gepresstes, ächzendes Geröhre von einem blinden Idiotengott, das klang wie: »Aus welchem Holz? Aus welchem Holz? Aus Bubisc-Holz und seiner Fraaaauuuu!«
    Hiob brauchte ein paar verdutzte Momente, um diesen Aber-Witz zu verstehen, aber dann ging er zähneknirschend rein.
    Lagrima spürte ihn sofort, als er durch die Verbotene Tür trat. Ihre Milchdrüsen fingen hyperaktiv an zu produzieren, ihre Brüste schwollen schrecklich schnell und schmerzhaft, die Nippel wurden groß und hart wie Schnuller und Beißring in einem.
    Er war das Baby, ihr Baby, ihr Baby, sie musste ihn säugen, ihn schützen, das war ihr Instinkt, dagegen konnte sie gar nichts machen.
    Sie verspritzte Milch in schubartigen, unkontrollierbaren Krämpfen, zauste sich mit den nassen Fingern das filzige Haar und schrie: »Nein-bleib-draußen-bleib-draußen-bleib-draußen-komm-nicht!«
    »Und ich, der stille stand, mich umzuschauen,
    Sah im Morast dort welche, nackt und bloß,
    mit Schlamm bedeckt und grimmverzerrt die Brauen;
    Die gaben sich mit Fäusten Stoß auf Stoß,
    Mit Füßen auch, mit Kopf und Brust und rissen
    Sich Fetzen Fleisches mit den Zähnen los.«
    Dante, Canto sieben, auf dem Weg zum fünften Kreis der Hölle, im Styx. Die Assoziation aus einem von Hiobs Lieblingsbüchern, dem bislang immer noch hellsichtigsten Baedecker durchs Wiedenfließ, stand so klar vor ihm wie ein edelgasstrahlendes Schild.
    Dies hier war der Styx oder das brütende Land dahinter. Und alles, was man bislang kannte oder angenommen oder stillschweigend-naiv und ahnungslos vorausgesetzt hätte als Solidarität unter den Bemitleidenswerten und Kranken, den Heilsuchenden und Unheilbaren, den Verzerrten und Gestauchten, den Ungeliebten und Vergessenen, war hier verschwunden, gewichen einer unnatürlichen allgemeinen Atmosphäre aus Gewalt und Gegengewalt, dem täglichen, verzweifelten, parodie-darwinistischen Überlebenskampf derer, die nach dem Willen ihrer Angehörigen weder hätten überleben sollen, noch, nach dem Willen der sogenannten Pfleger, kämpfen. In einer ebenfalls sogenannten ganz normalen psychiatrischen Anstalt, sagen wir, in Ueckermünde in Hiobs hässlichgesichtiger Heimat, waren die Verhältnisse bereits so, dass sensible Betrachter das gelbe Erbrechen beschleicht, bespringt und nicht mehr weichen will, aber dies hier, dies hier war nicht einmal das. Dies hier war ein Schlachthaus und ein Puff, ein Spielplatz und ein Zoo, ein Zirkus und ein Schießbudenfest, ein Schlachtfeld und ein Kalvarienberg für sich austobende gesunde und vor Schreck erstarrte kranke Menschen oder auch nicht. Hiob erinnerte sich an Tod Brownings Freaks , und er beschwor einhundert Mal die Huhnmensch-Rache herauf für die, die für das hier verantwortlich waren.
    Er sah einen großen Trog voller vermengter Ausscheidungen, in dem nackte Menschen standen, hockten oder trieben, von denen mindestens einer seit Wochen tot war. Er sah einen Pfleger herumrennen mit erigiertem Penis, von dem zähflüssig syphilitisches Sperma troff, der Pfleger schrie und krähte lachend wie ein Hahn und verfolgte eine mindestens siebzigjährige, völlig unterernährte Patientin. Er sah einen anderen Pfleger kaugummikauend einem Katatoniker mit einem Schweizer Taschenmesser einen Schenkel aufschneiden und den Knochen freispreizen. Er sah das unveränderliche, maskenhafte Grinsen zweier Down-Syndrom-Opfer, die sich zur Freude dreier wettender Gutbürgerlicher in Karnevalsmontur mit klebrigen Autobus-Nothämmern in haarigen Fetzen die Köpfe

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