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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hat mir das alles eingebrockt.« Er richtete sich auf, straffte sich. Die verrückte, bedauernswerte, schwache, lächerliche Frau stand noch immer dumm herum und bestaunte den Müll einer präanarchistischen Epoche. »Geh zurück, Lagrima Mesanez«, sagte Hiob leise zu ihr. »Geh zurück und lass dich einschließen. Trink Karottensaft, friss Brei, lass dich klistieren, zudecken und psychotherapieren. Wahrscheinlich lässt sich alles irgendwie auf ein traumatisches Ereignis in der Kindheit zurückführen. Wahrscheinlich ist Pappi an allem Schuld. Lehn dich zurück, mach’s dir bequem, halt mir einen Sitzplatz warm – ich habe noch zu tun.«
    Er ging von ihr weg, ohne sie zu berühren, trieb sich lange genug beim geschockt-geschäftigen Haupthaus des Irrsinns herum, um in Erfahrung zu bringen, dass Diana in ein nahes Böller-, Papphut- und Girlandengefängnis gebracht worden war, und schlurfte, die Hände tief in die Manteltaschen gerammt, den Kopf angriffslustig gesenkt, zurück in die Stadt, in der die Umdrehungszahl der forcierten Fröhlichkeit wieder langsam zu steigen begann.
    Mit völlig zerzaustem und verklebtem Haar stolperte Diana Frahm vierundzwanzig Stunden nach ihrer Verhaftung über die Plastikpforte einer vergnügten kleinen Polizeistation ins harsche Sonnenlicht einer mittlerweile im Hirnkoma liegenden karibischen Stadt zurück, um kurz darauf – von rasenden Kopf- und Gliederschmerzen und den Auswirkungen von Blutverlust, Alkohol und Kokain noch völlig benommen – von einem lautlosen Landsmann zwischen zwei Büsche gezerrt und auf die konfettibepflasterte Erde geworfen zu werden.
    »Ich habe dich gewarnt, Diana. Ich habe dir gesagt, ich müsste dich aus dem Verkehr ziehen, wenn du weiter herumhurst, denn ich kann – das – nicht – dulden.«
    Sie war ein hartes Kind, ein gutes Mädchen, aber jetzt fing sie wieder an zu heulen. Der Tod hauchte ihr glaskalt über den Bauch. Sie erkannte diesen Mann wieder, sie hatte ihn nicht gekannt, sie war ihm dankbar gewesen, sie hatte ihn verlacht, ihn gehasst, ihm gegeben, mit ihm gezaubert, ihn bewundert, sich in ihn verliebt, ihn nicht verstanden, war ihm gefolgt, ihm vorangegangen, hatte ihn vergessen, und er war zurück.
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, flehte sie mit belegter, aufgequollener Stimme. »Sie hatten mich in ihrer Gewalt, sie hätten mich doch töten können, und keinen hätte es gekümmert, nicht im Carneval, ich hatte keine Wahl!«
    Hiob hob eine Machete, die er einem unvorsichtigen Hand-/Taschendieb abgenommen hatte, bis ihre Spitze die flachheiße Sonne anstach und ihre fahle Milch über die Klinge nach unten Richtung Heft lief.
    »Vier Jahre!«, schrie Diana verzweifelt. »Du hast mir vier Jahre versprochen!«
    »Ich habe mich verrechnet«, erwiderte Hiob und stieß mit komplizierter Griffhaltung stoßdrehend zu, bis der Kopf der blonden Frau in derselben leuchtenden Farbe wie ihr abgewetzter Minirock erstrahlte, »denn ich bin ein calvinistischer Moralist, und die sind nie gut im Denken.«
    Und jetzt tat Hiob Montag etwas, mit dem überhaupt niemand, welcher Stratifikation er auch immer angehören mochte, jemals gerechnet hatte. Er plünderte nicht etwa Dianas Geld, nein, er schnappte sich ihre Seele. Mitten hinein in das schadenfrohe, geradezu unhaltbare Hohngelächter aus dem Zentrum des Wiedenfließes riss er beide Hände nach vorne, packte Diana Frahms ausdringende, zappelnde, krähende, feuchtwarme astrale Essenz, knüllte sie wie ein vollgerotztes Papiertaschentuch zusammen, rezitierte dabei in perfekter Modulation drei ganz bestimmte Worte aus einer keltischen Totenmesse und schleuderte das leuchtend flackernde Gebilde mit unheimlicher Wucht nach unten, geologisch gesehen rückwärts durch die Zeit. Dabei scharrte er mit den linken nackten Zehen arkanische Symbole polynesischer Herkunft in den ausgedorrten Boden und schwieg.
    NuNdUuN wurde mitten im Lachen getroffen. Die undestillierte Seele, blinder, stummer Passagier im Nebenreich des Nebels oder Nebelreich des Nebens, klatschte ihm mit spiritistischer Kälte und Orientierungslosigkeit und fehlender Prädetermination gegen den hornigen Leib, sodass er rückwärts durch die Lehne seines aus radioaktiven Altlasten mundgeflochtenen Thrones gedrückt wurde und in den verwundenden Trümmern stöhnend, sich schüttelnd, verblüfft, liegen blieb. »Ich bin zu weit von der plausiblen, kausalen Alltagsdimension entfernt, um die Regeln des magischen Realismus nicht zu

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