Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

koordiniert aufnehmen konnten.
    »O man, Widder, du bist wirklich total übergeschnappt.«
    »Gefällt es dir nicht?«
    Er betrachtete sie kopfschüttelnd, atmete ihr perfektes, kapriziöses Parfum ein und versuchte, seine aufsteigende Schwindeligkeit niederzuhalten.
    »Komm rein«, winkte er sie vorbei. Das unwirkliche Luxusgeschöpf aus den Zwanziger Jahren des schrecklichsten Jahrhunderts von allen – mit Ausnahme vielleicht dessen, dem die Dinosaurier zum Opfer gefallen waren – schlüpfte munter an ihm vorbei und begann, auf faszinierend altmodischen hochhackigen Schuhen stanzend seine Wohnung zu inspizieren. In den zweiunddreißig Quadratmetern war es nicht allzu schwer, mit dem Geist Schritt zu halten.
    »Wie konntest du ... ich meine ... woher wusstest du, dass Louise Brooks ...«
    »... für dich die atemberaubenste, vollendet schönste Frau ist, die du je gesehen hast? Hiob, Schatz, dein Unterbewusstsein ist ein Groschenheft, das ich beim Scheißen lese, um mir die Langeweile zu vertreiben. Und denk jetzt nicht, dass vulgäre Sprache die Illusion zerstört – die echte Lulu war kein Kind von Traurigkeit. Sie hat im Drogenrausch mit Hunden geschlafen und mit einer Leiche, da war sie clean. Und ein schwarzer Liliputaner war auch dabei, der hatte in einem Stummfilm von Lubitsch als Statist ...«
    »Ich glaube nicht, dass ich das wissen will.«
    »Natürlich willst du. Du kannst es gar nicht erwarten, deinen Dorn in diese Rose zu bohren. Diese Matratze hier ist alles, was du hast? Na gut. Sie wird ihren Zweck erfüllen. Dein Pech, dass sie nicht wasserabweisend ist.«
    Hiob hob wieder beide Hände, kalter Schweiß brach ihm an den Schläfen und in der Brustgegend aus, die beunruhigenden Symptome eines neuen, den Kopf unter kochendes Quecksilber zwängenden Schwindelanfalls. »Vergiss es, Widder. Wenn du behauptest, mein Unterbewusstsein sei ein offenes Buch für dich, dann musst du Analphabetin sein oder so was. Ich werde nicht mit dir schlafen, während du Louise Brooks bist.«
    »Ach nein?« Sie drehte sich elegant herum. Ihre großen, dunklen Augen, ihre Lippen, ihre schmalen Nasenflügel durchlebten und durchspielten ihn wie übermütige Kinder ein hallend leerstehendes Haus. »Hast du Hemmungen? Der große Hiob Montag hat Hemmungen?«
    »Sie ist zu perfekt. Du bist zu perfekt. Sie ist ein Tempel, den ich nicht entweihen kann.« Er wischte sich fahrig den Schweiß ab, fand gar keinen vor auf seinem Handrücken, es war alles nur Einbildung, Nervosität, Furcht, nichts war wahr. Er versuchte ein Lächeln, versagte.
    Sie warf beim Lachen den Kopf in den Nacken, sodass ihre erstaunlich lange Bubikopffrisur sich schwankend nach hinten verlagerte wie ein windbewegter schwerer Vorhang. »Sie ist ein Tempel, den du nicht entweihen kannst? Das ist einer der besten Witze, seitdem Franz Josef Strauß Verteidigungsminister wurde. Louise Lulu Brooks war eine nymphomane Nutte, Liebling – genau wie die Blondine, mit der du in Südamerika rumgemacht hast.«
    »Die habe ich auch nicht angerührt.«
    »Ach nein? Du hast sie nur gewickelt und gestreichelt und von in ihr drin geträumt.«
    »Ich habe sie nicht angerührt.«
    »Du hast sie getötet. Intimer kann man nicht werden.«
    »Bist du darauf eifersüchtig? Vielleicht kann ich was arrangieren.«
    Widder schnaubte. Sie war wirklich perfekt. Mit jeder mimischen oder gestischen Variation schien sich ihre Schönheit mit erregender Gnadenlosigkeit auf einer stufenlosen Skala zu erhöhen.
    »Hör mir mal gut zu, mein Allzumenschlicher«, sagte sie wütend. »Ich bin Lydia Channel und Vanessa del Rio für dich gewesen, ich war dieses Mädchen aus deiner Schulklasse, ich war Faye Dunaway, Ava Gardner und die Verkäuferin aus dieser morbiden Fleischerei. Du hast mit all diesen Mädchen deinen Spaß gehabt. Und jetzt habe ich deine absolute Superfrau aufgetragen und mir dabei echt Mühe gegeben. Also, was ist jetzt dein Problem?«
    »Louise Brooks ist keine sexuelle Ikone für mich, Widder. Ich habe sie nie eigentlich als körperliche, greifbare Frau gesehen. Sie war für mich immer eher ... ein unerreichbares Ideal, eine der ganz wenigen weltwürdigen Errungenschaften des Menschenstammes. Ich liebe sie. Ich könnte dich lieben, wenn du dich dazu entschließt, sie zu bleiben, aber ich könnte niemals wieder mit dir schlafen.«
    Das Mädchen aus dem Wiedenfließ war jetzt ehrlich verwirrt. »Was soll das bedeuten – du könntest mich lieben?«
    »Wenn du so bist, wenn du so