Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Sehnen hoch und Fleisch wie einen Fisch aus dickem Wasser. Von der Unterseite des Oberschenkels löse ich mit viel Fingerspitzengefühl ein ganzes Stück, so groß wie eine Hand samt Fingern, und betrachte es genau. Es ist weißlich und rosa und schwabbelt hin und her, tendiert aber zum Reißen und riecht ganz leicht nach warmen Nudeln. Meine Pobacken dagegen sind nur weißes Fett, mit Luftblasen drin. Und mein Bauch erlaubt, von Rippen unbehindert, ganz tiefe, neue, warme Welten. Ich kann meine fast transparente Blase streicheln, meinen Dickdarm knautschen. Da drinnen bin ich noch stabil, gesund. Ich will hier nie mehr weg.
Hiob sieht, wie trotz der Kälte Schweiß zerdehnt und mikrokosmisch Leben tragend von seinen Brauen nach unten auf den Boden tropft. Langsam beginnen die unerbittlichen, ziehenden, schlackernden Bewegungen des Gleichstromopfers seinen Körper zu erfassen. Wie eine Puppe mit viel zu großem Kopf und Händen schwingt Hiob leicht an Kupferdrähten und Glasfasergelenken hin und her, besonders im Musikantenknochen, der schlägt und schlägt aus wie eine wilde Glockenschnur, wie überspielte Holzbasssaiten. Ein Schalter rastet ein, aufstäubend in SuperSloMoMakroTake. Lichter gehen an, gehen aus, gehen an. Hiobs Zähne lösen sich schnappend voneinander wie gegenseitige Magneten. Er würgt in harten Schüben Batteriesäure hervor, bitter, aber auch wie Essig und unglaublich bunt, so körperwarm. Die Pole klacken wieder zusammen, Alufolie zwischen den Zähnen, in den Plomben, Amalgan kocht über. Die Stimme ist in Geberlaune, hat Spendierglosen an. Schmerzen werden zu Las Vegas, und im Kreiseln des Roulettes gehen Karten verloren.
Rein kommt er über die Fingernägel.
Unter die Nagelbetten, dicht unter der Haut, aber über dem eigentlichen Fleisch, kann ich ihn übernehmen sehen, wie wenn Wasser unter die Haut injiziert wird und sich weißlich schwellend ausbreitet, wie wenn ein Insektenstich immer größer und größer wird, die Haut mit unhörbarem Schmatzen vom Muskel- und Sehnen- und Aderngewebe trennt und leicht und heiß aufbläht, unregelmäßig wachsend, sich vortastend, dann nachschwappend. Wie heiße Flüssigkeit kommt er in meine rechte Hand, die dadurch milchig hell und dicklich gedunsen wird, die Konturen der Falten und der Fingerabdrücke langsam verschwimmend, verwaschend. Mit der noch dünnen Linken, mit dem Zeigefinger, drücke ich neugierig auf den Rücken der Rechten, die neue Flüssigkeit dadurch verteilend wie Eiterwasser in einer Brandblase. Mein Druckpunkt quillt schnell wieder auf, und jetzt kommt er auch links ohne Schmerzen.
Ohne Schmerzen, aber mit der unformulierbaren Furcht dessen, der seinen Körper an etwas Unfassliches verliert, sehe ich die Schwellungen meine Arme hinaufwachsen, sehe die Härchen angehoben schwanken, fühle ein Kribbeln und Wärme wie beim Duschen, warmes Wasser auf der Haut, warmes Wasser unter der Haut. Wanke zum Spiegel, kann die Gänsehaut meiner Brust aufdunsen sehen und mein Gesicht, breiter, heller, schwammiger jetzt, mit einem Ruck sich füllen. Auch meine Lippen werden dicker. Sieht fies aus, wie ein Frosch oder so.
Alles quillt auf, aber nur um ein paar Millimeter, alles wird blubberig und wacklig, ganz zuletzt, bereits mit großer Geschwindigkeit, die Füße. Dann verharre ich so in der warmen Nässe, wie einer, der in einen dichten Neoprenanzug gepisst hat und jede feuchte Bewegung mit Unbehagen quittiert und der Drohung von Geruch. Ich fürchte zumeist das Aufplatzen. Fürchte meine ganze Haut reißen, dickflüssig aussuppen und dabei die Schmerzen kommen.
Aber kein Reißen. Kein Platzen, kein Nässen. Keine Schmerzen. Die weißliche Flüssigkeit schwappt langsam, ziehend warm, nach Innen, durch die Außenhäute der Organe, Fasern und der Knochen. Am deutlichsten, weil heißesten, spüre ich sie durch meinen kalten Schädel filtern, bis hinein ins graue Denken, und ich weiß, er ist in mir, ich weiß, ich bin sein.
Meine leicht gedehnte Haut zieht sich – noch jung ja – wieder straff um mich zusammen, und von außen bin ich wieder ganz normal.
Jetzt endlich fiel der Cop. Blutfunken schlugen aus dem schmelzenden Hörer in seiner Hand, Mesmerstrom raste kreischend durch seinen Körper, spülte seinen Geist und seine Erinnerungen durch die berstenden Kniescheiben fort Richtung Hölle. Der Körper, ein großer, grob modellierter Haufen Sülze jetzt nur noch, brach – reflexhaft zuckend – zusammen und blieb weich liegen. Der Mund
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