Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Billy Corgan vom ... äh ... vom Enquirer (scheiße). Ich arbeite an einem Artikel über Otts. Charles Otts. Ich brauche ein paar Informationen von Ihnen, wenn Sie so freundlich wären ...?«
»Was soll der Ziegenscheiß, Charles. Was willst du von mir?«
»Charles? Hier ist nicht Charles, hier ist Billy ... Corgan ...«
In genau diesem Moment, in dem Hiob aufging, dass er einen Fehler gemacht hatte, schlug Monsieur 500.000 Volt zu. Eine elektrische Entladung aus dem Telefonhörer paralysierte, zementierte Hiobs Muskeln. Er blieb starr stehen, während eine unglaublich kalte Hand begann, ihn zwischen den Schulterblättern unerbittlich bis zum Krampf zu massieren.
Waco redete weiter. Hiob war nur noch starrer, stummer Zeuge eines Monologs, nichts weiter. Eine Fehlschaltung. Eine gottverdammte vollidiotische Fehlschaltung mitten ins ausgebrannte Gehirn eines zu Tode verängstigten Bullen.
»Du hast dich doch ergeben. Du hättest türmen können. Aber du wolltest in den Knast, stimmt’s? Du wolltest auf den Stuhl! Also hab ich dir mit meinem beschissenen kleinen Beitrag doch nur ’nen Gefallen getan, also hör auf, meine Familie zu terrorisieren. Lass uns in Ruhe.«
Schweigen in der Leitung. Schweigen und knisterndes Rauschen. Seltsame Zeit vergeht.
Wie ein Arm, der ausholt, lautlos.
»Du sagst, du willst meine Frau ficken? Du kommst als Vibrator in sie rein und bohrst dich bis hoch in ihr stinkendes Hirn? Ich sage dir, das Hirn meiner Maggie stinkt nicht, du bist es, der stinkt, Charles. Du sagst, du willst meinen Sohn lecken. Aus den Steckdosen wirst du kommen und ihn packen.« Der Cop lacht wie ein Bauchredner. »Ich sage dir, ich werde dich ableiten wie einen Blitz, mitten hinein in ein Grab auf einem Hundefriedhof.«
BLLLLITZZZZZZZZ, geht ein erstaunter Gedanke mitten durchs Netz.
Der Cop? Ist der Cop noch dran?
Und dann ist da plötzlich diese andere Stimme, tief drinnen in der Leitung wie in einer erotischen Erfüllung, katzenhaft zusammengekauert, schnurrend fast, flüsternd und so nah, so nah, an Hiobs Ohr, dass die Zunge und die sechsundachtzig Zähne fast sein Ohr berühren. Der Hörer, kalt, leblos, indifferent, schweißt sich glühend ein in Hiobs Hand. Der Cop wird Traum, das andere Ende verklebt, zerfällt, zerfasert, schwillt an, fällt zusammen, stülpt sich ein, endet ziehend. E-leck-trizzzzzzz-i-tät beginnt zu schäumen. Die Stimme ist lang, lang, wird immer länger, ein nichtendenwollender Diskurs zwischen funkenden DNA-Bausteinen, die in immer karusselschnellere Drehung verfallen und wie betrunken gegeneinanderstoßen. Coney Island geht auf. Irgendwie ändert die Sonne ihr Spektrum und wird Röntgen.
Ich kann mich wieder bewegen. Endlich. Doch Jucken an der rechten Wade, ich, mit dem rechten Zeigefinger, kratze mich. Der Finger dringt ein ins Fleisch wie in grobkörnigen Pudding, wie in Talg oder zähen Teig, bis rein zum Knochen, den ich mit dem Fingernagel deutlich kratzen kann. Ganz glatt ist er, wohlgeschliffen und eigentlich sauber.
Erschrocken verdrehe ich mich zur Spirale, bis ich den Finger in meinem Bein sehen kann. Kein Blut. Kein Schmerz. Kein Eiter oder Wasser. Nur das Jucken geht weiter.
Furchtsam, mir das Bein weiter aufzureißen, halte ich einige Minuten oder Stunden stand, ignoriere mit zusammengebissenen Zähnen und tränend roten Augen das stärker werdende Jucken im Bein, das nie diese Hürde zum Schmerz nimmt wie ein zu heftig gekratzter Mückenstich, sondern das stets gleich bleibt, nagend, kitzelnd, zehrend, fordernd, bettelnd.
Schließlich halte ich es nicht mehr aus. Wie ein Rechen, eine Harke, pflügen meine Finger ins Fleisch meines Beines, werfen es schmerzlos klumpig auf, reißen es in fetten, behaarten Stücken vom Knochen und von den bläulich nassen Sehnen. Ich blute kein bisschen. Mein Fleisch ist wie toter, roher Braten, nur poröser, leichter zu zerreißen, faserig und trocken fast wie Brot.
Dann setzt die Faszination ein. Es ist wie beim Aufkratzen von verschorften Wunden, wie beim Auspressen von Pickeln, wie beim Pulen an einer Fußblase oder trocken aufreißender Hornhaut. Herrlich und bange wie das langsam klebende Abziehen von Sonnenbrand. Wie weit kann ich gehen? Da die Ränder der ausgefransten Wunde weiter jucken, wie weit kann ich gehen?
Ich ziehe mir die Haut ab, in nach oben hin schmal auslaufenden Streifen bis hoch zum Schenkel. Ich wühle hier und da glitschige, aber unblutige Löcher in die Muskeln, krümme die Finger dann und ziehe
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