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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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den leeren, aber warmen Teller. »Wos waaßt denn duah, heh, wos waaßt denn duah? Reißst’s Mau aaf und host dabei no immar fei dei Spoaß ghobt, host’s net? Sog, host’s net immar fei dei Spoaß ghobt, Kall?«
    »Vodr«, versuchte der Luit dazwischenzugehen, »lass eahm aussi, ear hot do nets gmeint ...«
    Ruckartig ließ der Alte den Kall los und wandte sich ganz seinem jüngeren, schwächeren Sohn zu. »Pass du nur aaf, Luit«, drohte er mit gefährlicher Ruhe, »eins Togs werd i di im Schloaf erwürga, und duah werst’s fei net omoi merka.«
    Die Marie weinte leise mit zuckenden Schultern vor sich hin. Tränen tropften lautlos neben ihren Teller. »Wiahr mussa do alle zsammahalta ...«, wiederholte sie vollkommen tonlos. »’S ganza Dorrf iis do scho gega eans.«
    Das Magdaleen war am ruhigsten von allen. Sie hatte sich zur Seite gebückt und die Gabel aufgehoben, die ihr Vater vom Tisch geschleudert hatte. Jetzt drehte sie das alte Besteck vor ihrem Gesicht hin und her. »Ihr wisst’s«, sagte sie triumphierend, »wos dois bedeutat, wenn a Gabl runterfait. Dois bedeutat, dois meahr no net alle do sind beizeitn. Wir werda no a Gast zum Essa hoba, heit odr morga.«
    »No a Gast?«, fragte der Kall. »Wear soit denn nu kumma? Eanar vum Dorf? Ha-hah.«
    Das Magdaleen lächelte ihn an. »I waaß aa net. Obr wiar werda scho senga. Wiar werda scho senga, wiar Diffringersleut.« Der Sturm begann an der Tür zu rütteln. Und an den Fenstern. Und im Kamin.
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    (Durch den Schnee, den tiefen Schnee bei Nacht
    die Stiefel so schwer
    und Raben)

b) Der König von Ulm
    150 Jahre hatten die spätmittelalterlichen Handwerksleute gebraucht, den Turm des Ulmer Münsters bis auf 162 Meter Höhe in den Himmel zu treiben, und nun verhüllte ihn eine hastig errichtete Plastikplanen-Metallgerüstkonstruktion wie ein benutztes Kondom, um das wenige zu retten, das noch zu retten lohnte.
    Hinter dem staubverschmierten Kunststoff barmten Heilige mit leprös weggeschmolzenen, geschwärzten Gesichtern die Hände erhoben um Mitleid. Unter dem mittleren Eingangsportal rottete sich eine bunt gekleidete Horde von Überseetouristen zusammen, während eine pferdegebissige Führerin hierhin und dorthin deutete. Die Wolken rasten über den weiten Vorplatz. In siebzehn Metern Höhe saß ein rumänischer Hilfsarbeiter auf dem Gerüst und aß schmatzend einen Wecken mit grober Leberwurst.
    Hiob schwindelte angesichts des massiven, gotischen Turmes. Seine spezielle, umgekehrte Form der Akrophobie schlug nach ihm, er wich aus, sie schlug nach und traf. Es waren die Wolken, das schnelle Rasen der Wolken, was den Turm auf ihn zukippen ließ, um Hiob mit monolithischer Gewalt zu zertrümmern. Tauben stiegen auf, wo Hiob wankte, mit jenem ihnen eigenen Sirren, das alles nur noch schlimmer machte. Der Platz war zu groß, der Himmel zu weit, zu schnell, die einzige Rettung der Bauch des Fisches selbst. Krallend und keifend sprang und zwängte er sich durch die protestierende Touristengruppe und hechtete sich förmlich in das kühle, zugige Dunkel hinter dem Flügeltor. Gehuschte Stimmen, lange Kerzen, zerdehnte Schatten und kryptisch kryptaisch gebogene Nachthöhen umfingen ihn wie einen guten alten Freund, und er ließ sich nassgeschwitzt auf einer der hinteren Kirchenbänke nieder, hängte die Arme über die Lehne davor, bettete den Kopf darauf und erstarrte so in der typischen Pose des inbrünstigen Beters. Erst als sein Atem wieder ruhiger ging, blickte er auf.
    Er saß nicht alleine so da. Mehrere Obdachlose klemmten, vom Dampf ihrer eigenen Alkoholausdünstungen verzerrt, zusammengesunken aufgestützt im Gestühl und schnarchten leise bebend vor sich hin, im Gotteshaus das Dach erheischend, das die Gesellschaft ihnen schon längst verwehrt hatte. Hiob gönnte sich ein paar Momente des Nachdenkens darüber, ob er eigentlich mit diesen Leuten Mitleid hatte, und kam zu dem Schluss, dass dem nicht so war. Sie soffen sich hinweg, während er kämpfte. Sie standen nicht auf seiner Seite des Spielfeldes, sondern daneben, und bekundeten durch ihre apfelkorninduzierte Resignation nur zu deutlich, dass sie nicht einmal mehr ein Interesse daran hatten, wirklich gerettet zu werden. Kein Mitleid. Kein Mitleid mit den Schwachen.
    Picklige Messdiener mit kratzigen Kragen schnürten umher wie abgemagerte Hyänen, um mit langen Kollektestangen die stülpnasigen Bettler zu wecken und zu vertreiben. Einer kam direkt auf Hiob zu, doch der wehrte

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