Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
denkt Kamber dran und macht dich auch an meinem nächsten Geburtstag ausfindig und schleift dich gegen deinen Willen her, dann sehen wir uns vielleicht wieder.« Sie drehte sich um und verschwand in der Menge, dem imaginären Klavier entgegen.
Hiob senkte den Kopf und lächelte.
Er konnte machen, was er wollte, Soap Opera holte ihn immer wieder ein.
Draußen ging ein Schneesturm nieder, im tiefen Blau des frühen Morgens. Die Diffringers saßen zu Tisch, alle sechs. Der Alte, seine Frau Marie, die Söhne Kall und Luit, die junge Tochter Magdaleen und ihr kleines Josefchen, das Buberl.
»Hob vum Hund gträumt no kurz voarm Morgen«, sagte Luit mit suppenvollem Mund. »Gbellt hot er ganz wui in der Nacht do, und’s iis a fremder Mann kimma und hat eahm nach deam Weg gfragt.«
»Den Hund? Noch deam Weg? Wos für a Schmarrn denn.« Kall schüttelte den Kopf.
»’S woar hait nur a Traum, hob’s do gsagt«, meinte Luit eingeschnappt.
Das Magdaleen war interessiert. »Noch welchan Weg denn? No Kaifeck?«
»Naa, dois woar jo dois Seltsam dran. Er hut gfrogt: ›Waast den Weg wo koana Minen fei sind? Hoben’s di deshalb verausgschickt?‹ Dois hob i genau verstanda, im Traum.«
Das Magdaleen wurde bleich. Das Baby spürte die Unruhe seiner Mutter, fing an zu quengeln und griff in ihr langes helles Haar. Der alte Diffringer schlug mit dem Löffel auf den Tisch. Porreestückchen spritzten auf Kalls Handgelenk. Der Diffringer blickte den Luit finster an. »Hoits Mau, du. Vrzählst gfälligst kaa so Schauermarn, kunnst’s net seaha, dois dei Schwester sich do furcht’?«
»I hob nur verzahlt, wos i träumt hab.«
»’S interessiert fei net den Deifi, vrstahst?«
»Vielleicht den grad«, brummte der Kall.
»Host’s wos gsagt?«, bohrte der Vater provozierend nach.
»Naa. Wui nur moi soga, wer’s hier herinnen fei dauernd die Schauermarn vrzahlt von wei deam Aafhocknd Geist und ois. ’S bist du fei selbar, Vodr.«
»Ah, geh. Dois sann kaa Marn, dois iis ois woahr.«
»Geh her, Vodr«, verwies die Marie sanft lächelnd, den unchristlichen Aberglauben ihres Mannes gewohnt.
Der Diffringer jedoch schob seinen Suppenteller von sich. »I sog nui die Woahrheit, i sog immar die Woahrheit, und wenn’s dean Menscha net recht iis, die Woahrheit zu höra, dann ist’s fei dera Sorg. I sog das ois was passiert iis in derra letztr Zeit geht net mit reachta Dinga zuah. Ois Leut sind arm huit, hoba nets mehr zum Fressa, ois Kuah falla toat um, hobn Jaucha im Mau. Und dr Wintr – I hob a langs Leaba glebt und a harts Leaba no dazua, abr i kunn each nur soga, so eahna langa und kalta Wintr hot’s no koiner gseng. Nur den Raaba geht’s fei guat, s’wird fei no so weit komma, deaß mer werda Raaba essa müssa. Macht’s each nur derauf gfasst. ’S gibt fei koi Leaba mehr im Land.«
»Und aach’s Geld iis nuis meah wert«, vervollständigte der Kall.
»Dois iis die Zeit vumm Aafhocknd Geist, dois sog i nur,« meinte der Diffringer düster, »dois hot dr Baro aa gspürt. Ear hot no vrsucht, eans zu warna. Hot’s eahm’s Fell gkost.«
»Ach, geh do her, Vodr«, besänftigte die Marie. »’S iis o hoarta Zeit und aa o hoarta Winter. Deas liagt fei wohl am Kriag, vun deam sie soga, doß mer eahm verlora haba. Der hot eans eansre Wärme gnomma, eansre Wärme und eansren Stolz. Obr dr Herrgott wuits scho richta. Dr Herrgott vrgisst net eahna, der wo im Reachta iis.«
»Den Herrgott ... den Herrgott ...«, bebte der Alte, »... den Herrgott hobens obgschafft!« Er sprang auf und stieß dabei mit den Knien von unten gegen die Tischplatte. Seine wegen Fleischmangels unbenutzte Gabel rutschte vom Tellerrand und fiel klirrend auf den Boden. Marie atmete erschrocken. Das Kind greinte abgehackt.
»Dois derfst fei net soaga, dois derfst fei net«, wiederholte Marie, aber mehr, um sich selbst zu beruhigen als ihren Mann. Das Maß der Gewalt war schon wieder gefüllt. In diesem Zustand hatte sie ihren Mann zu fürchten. Einmal hatte er sie mit einem Schüreisen geschlagen, dessen Spitze glühte. Vierzehnmal.
»In meanam Haus«, drohte ihr der Alte, »sog i wos i wui, und dois iis immar die Woahrheit. Und i sog, dois deas ganza Land verfluacht iis.«
Der Kall blickte von seinem Teller auf, wischte sich mit dem Handrücken über den widerspenstigen Bart. »Wenn net dois ganza Land, Vodr, dann iist’s fei sichar dieser Hof.«
Der Diffringer griff nach vorne, packte seinen Ältesten am Ohr und drückte ihn mit der Wange auf
Weitere Kostenlose Bücher