Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Wasser troff von seinen Schultern.
»Ich habe alles gesehen mit ihren Augen. Magdaleen war die ganze Zeit über, seit wir uns das Versprechen gaben, uns immer zu lieben, und ich ihr sagte, dass selbst der Tod auf den Feldern des Krieges mich nicht davon abhalten könnte, zu ihr zurückzukehren, meine Verbindung zur wirklichen Welt. Was meint ihr, weshalb ich hineingegangen bin in die Blutmühle? Ich hätte nicht gehen müssen, habe immer die Wahl gehabt, hätte auch desertieren können. Aber ich ging hinein, weil ich ihn sah, den eigenen Vater, wie er sich keuchend und feixend über meinen Bauch ergießt und mich dafür noch schlägt und Hure nennt. Wahrlich« – Anton griff sich jetzt endlich die Axt, breitete die Arme aus und hob das Gesicht zur Decke – »wahrlich ich bin gekommen, euch zu richten, euch zu schlachten, euch alle zu erlösen. Aus dem Wiedenfließ darselbst kehr ich zu euch zurück aus den Armen derer, die mich lieben, kehr zurück in eure kalte, tote Welt bar allen Fühlens, um dieses Haus und dieses Blut bis auf den letzten Spross für alle Zeit zu tilgen von der Erde. Denn diese Regung, diese eine nur, ist menschlich noch an mir. Ich leide mit, leide, füge Leid zu, leider.«
Langsam brannte das Feuer herab, verzehrte die Asche hissend sich selbst.
Das Josefchen rührte sich, und Magdaleen wippte es sanft auf den Armen.
Der Diffringer lächelte, oder zumindest sahen seine Gesichtszüge so aus.
»Fur wean hoit’s di, Anton?«, raspelte er. »Denkst fei, du bist dr Christus?«
»Nein.« Mit einer flackernden, bauschenden Bewegung hieb Anton die Axt in die Tischplatte, dass Späne trocken aufplatzten. Das Josefchen, gerade ruhig geworden, fing an zu greinen wie ein griechisches Klageweib. Magdaleen wippte es tiefer und sprach beruhigend auf es ein. »Ich bin«, sagte Anton, »der Kreuziger, nicht der Gekreuzigte, ich bin die Nägel, und die Gerechtigkeit ist das Kreuz, und ihr steht zwischen uns. Erst wenn ich die trübsten Bande an mein gewesenes Dasein gekappt und alle Düsternis daran getilgt habe, kann ich ein vollwertiger Krieger meines Meisters sein. Wir schließen also einen Pakt, Vater Diffringer, ihr und ich. Ich wasche euch rein von der Sünde und sorge dafür, dass von nun an der Name eures Hofes nur noch mit Mitleid genannt und mit tragischem Opfer in Verbindung gebracht wird, und ihr gebt mir dafür meine erste Beförderung. Soldat Anton Krantz im Dienste des Wiedenfließes meldet: Er bringt Totenehre mit als Gastgeschenk.«
Die gelben Augen brannten konzentriert, und die Verzerrung im Gesicht des Diffringers verstärkte sich so, dass seine Zunge rissig wurde.
Magdaleen kümmerte sich um ihr Kind, alles um sie herum verdunkelte zu Schatten. Erst als das Josefchen ihre Herzbrust zu drücken bekam, wurde es langsam ruhig. Anton war neben ihr, der einstmals Glutwarme, dessen kalter Atem sie jetzt irritierte wie das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen oder verloren zu haben, und nicht mehr zu wissen, was. »Tust du mir einen Gefallen, Leenl?«
Sie nickte mit zur Asche gewandtem Blick.
»Bringst du das Kind nach oben ins Bett und sorgst dafür, dass es gut schläft, ja?«
Sie nickte mit geschlossenen Augen.
»Und dann folgst du uns. Wir werden in die Scheune gehen, denn dort fing alles an, dort floss das erste Blut.«
Sie nickte mit fest zusammengepressten Augen.
Als Anton sich wieder zur übrigen Familie hin umwandte, stand der Kall breitbeinig vor ihm, die Axt in beiden Händen, schlagbereit, schwer atmend. »I kunnt ean jetzt derschloaga, Vodr, i kunnt’s jetzt fei macha! Vodr? Vodr!«
»Geh, lass do dean Schmarrn, Kall«, meinte der Diffringer nur. »Glaubst aa, deas wurd nu wois helfa? ’S iis fei guat, wie’s kommt iis. ’S hat fei eh net konna guat geha. Leg hiin die Axt, du Saudepp, los. Und du Weib hör’s beta auf, i schwöar dir, sunst derschloag i di no, bevor dr Anton’s tuat. Mer ganga in die Scheun.«
»Dois iis do vruckt!«, schrie der Kall laut und erstaunlich schrill. »Dois iis do vollig vruckt! Seid’s denn all bsessa? Kunnst’s net mr denka? Luit, sog do woas! Muttr! Muttr, wuist’s denn sterba? Muttr, denk!«
»Kall, mein alter Kamerad, ich habe sehr viel Geduld mit dir gehabt, und ich will auch weiterhin Geduld mit dir haben. So wie ich das sehe, gibt es außer der Möglichkeit, dass ich euch hinrichte, natürlich auch noch die, dass du es tust. Wenn du die Axt also unbedingt behalten willst, dann behalt sie nur.«
Fassunglos starrte der
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