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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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uberall.« Ihre Stimme versagte.
    »Verstehe. Und du? Du warst noch Jungfrau?«
    »Jo. I hob do auf di gwart, Anton.«
    »Du hast die ganzen Jahre auf mich gewartet?«
    »Jo.«
    »Obwohl schon drei Jahre nach meinem Einrücken der Brief kam, dass ich gefallen bin?«
    »Jo.« Sie sprach jetzt wieder fast unhörbar, das Brennen der Flammen ein unerträglicher Tumult im Vergleich zu ihrer Stimme. »I hob’s net glaubt. Net glauba kinna.«
    »Du warst sechzehn, als wir uns trennen mussten, fünfzehn, als wir uns versprochen wurden. Neunzehn, als ich in Frankreich fiel. Kamen denn da keine anderen Männer? Haben sich keine für dich interessiert? Aus dem Dorf?«
    Der alte Diffringer lehnte sich jetzt wieder zurück und lachte. »Ha. Mer hoba keana an eahr naalassa, Anton. Die Hur hätt sonst fei mehr gvögalt ais g’orbait.«
    »Der erste deiner Sätze gerade war der erste, den ich heute Nacht euch glaube.«
    »Heh? Wie – dr Erst?«
    »Der erste der beiden Sätze, die du gerade gesagt hast, Vater. ›Mer hoba keana an eahr naalassa.‹ Das entspricht unzweifelhaft der Wahrheit.«
    »Wos wuist domit sogn?«
    »Dass es Momente gibt, wo ich dir glaube. Nichts weiter.«
    Für einige Augenblicke kehrte vollkommene Stille und Bewegungslosigkeit ein, selbst das Flackern der Flammen wagte kurzzeitig nicht zu sein. Dann war’s zu viel, zu wenig, alles vorbei.
    Kall sprang auf, sein Stuhl kippte stöhnend nach hinten hin. »Siehst net, wos passiert, Vodr?«, schrie der große Mann. »Siehst’s net? Er wuiß ois! Er wuiß oiiiiiiis!«
    Auch Luit warf sich vom Stuhl und bewegte sich in sichere Entfernung vom Tisch weg. »Kall hot reacht, Vodr. Er wuiß ois. Nimm die Oxt und derschloag eahm! Derschloag eahm!«
    »Derschloag eahm!«, schrie auch der Kall. Die Marie fing weinend, mit versabbert zitterndem Kinn, das Beten an. »Derschloag eahm, er iis fei schunn tot! Dois iis net dr Anton, Vodr! Dois iis fei an Geist! An Geist!«
    »Er wuiß ois«, stammelte jetzt auch der Luit. »Er wuiß ois, jessasmaria, i hob’s do immer gsagt, dois geht net guat ...«
    Der Diffringer, der Anton und die Magdaleen waren als Einzige ganz ruhig geblieben.
    Der Hausherr beugte sich wieder vor. Durch den Ausbruch seiner schwächlichen Söhne war die Unruhe und die Furcht von ihm genommen worden. Sollten sie doch die zappelnden Teile seiner selbst sein, er hielt die ruhigen fest in sich. Die silbern brennende Axt mit Magdaleens brennender Silhouette drauf war nur einen halben Griff entfernt.
    »Bist’s also wirkli, Anton? Bist dr Aafhocknd Geist? Bist kimma, eans zu richta?«
    Anton lächelte. Senfaugen musterten die Stehenden. »Der Aufhockende Geist? Ein Kindermärchen, das sich die Bayuwaren an vollmöndlichen Kreuzwegen zuraunen? Vater, seitdem sie die Panzer und die Mörser erfunden haben, ist für so etwas Lächerliches kein Platz mehr im Pantheon der Schrecken. Ihr habt euch alle ja so wohlgeschickt gedrückt vor der Hölle auf Erden – du, Diffringsvater, tatest zu alt und zu gebeugt, du, Luit, tatest zu jung und zu blöd, und du, Kall, tatest, als müsstest du den Hof alleine führen mit deiner schwachen Schwester. So ging es denn an euch vorüber, das Leben, die Wahrheit, das Wissen. Und das ist nun aus euch geworden. Ich lebe, und ihr seid tot.«
    »Du ... woarst eahner vunn uns, Anton«, jammerte Luit. »Du woarst aa ... geil auf’s Magdeleen.«
    »Ja. Ich wollte mit ihr schlafen, ich wollte sie zur Frau nehmen, nach meiner Rückkehr. Aber ich bin ja gottverflucht auch nicht ihr Bruder, Luit.«
    »Sie ... sie woar so ... schön.« Luit brach auf die Knie und fiel in das Weinen seiner Mutter mit ein, mit fast derselben Stimme und vor’s Gesicht geschlagenen Händen.
    »Das ist sie noch immer, du Dreckhund, sprich nicht von ihr, als gäb es sie nicht mehr. Sie steht neben dir.«
    Luit tastete blind nach dem Nachthemdsaum seiner Schwester, und als er ihn fand, krümmte er sich wie ein Wurm an ihren Knöcheln zu Boden und flennte nur immer wieder: »Kunnst mir net vrgeba, Leenl? Kunnst’s mir net vrgeba, biiiitt ...« Das Magdaleen stand ruhig am Feuer und strich ihrem kleinen Sohn das Haar.
    »Es ist von typisch menschlicher Tragödie«, stellte Anton fest, »dass ausgerechnet der, der am wenigsten Schuld trägt, am meisten bereut. Luit stand doch meistens nur daneben mit dem Schwanz in der Hand und hat es sich selbst gemacht und hat nur ein einziges Mal gewagt, auch nur ihr Haar zu berühren dabei, und das auch nur, weil sein Vater

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