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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Kamber fest. »Lassen wir ihn pennen.«
    »Hiob?« Das war jetzt ihre Stimme, aus einem seiner ineinander verschachtelten Träume. »Wie fühlst du dich? Können die Ärzte noch was für dich tun?«
    Beug dich noch ein bisschen weiter runter, Mädchen, dachte Hiob, ich möchte deine Augen klarer sehen, wenn ich sterbe. Bist du wirklich Myriem? Oder bist du Widder, in Verkleidung? Habe ich gewonnen? Bin ich noch am Leben? Soll ich die abgeschmackte Klischeefrage stellen. Na schön, verdammt, ich tu’s.
    »Wo ... bin ich?«
    Ihre Stimme: »Wir haben dich ins St. Joseph-Krankenhaus gebracht, Hiob. Die Ärzte sind ein bisschen ratlos, was dir eigentlich fehlt. Kannst du uns helfen? Hast du dich verbrannt? Was ist mit deiner Haut geschehen?«
    »He, komm, du siehst doch, dass er nicht kann. Überlaste ihn nicht.«
    »Solange die Ärzte nicht wissen, was es ist, können sie nicht viel tun.«
    »Wie ...« – er musste schlucken, und es brannte wie Spiritus – »... wie lange bin ich schon hier?«
    »Seit gestern. Wir haben dich gefunden und hierher gebracht. Ich hatte Angst, du wärst tot.«
    »Myriem?«
    »Ja?«
    »Mach dir keine ... Sorgen. Es ist über...standen. Zeit ist ... vergangen und ich ... bin noch am Leben. Jetzt ... wird alles wieder gut.«
    Die Amseln breiteten ihre kleinen Schwingen. Myriem lächelte. Dieser Schmerz in Hiobs Brust, jetzt auch ihretwegen. Jetzt nicht vom Regen in die Traufe, Mann. Jetzt nicht anfangen zu heulen. Noch niemals hat dich jemand weinen gesehen, das wäre scheiße für dein Image. Du bist eine sentimentale Heulsuse geworden, das ist schon wirklich nicht mehr schön.
    »Ich bin ... müde.«
    »Wir sind alle müde, Habib.«
    »Schlaf jetzt. Ich werde bei dir bleiben. Du kannst ja nach Hause gehen, Kamber, du hast ihn gehört: Er ist übern Berg.«
    »Schwester, mach bloß nichts falsch. Soll ich dir noch mal einen Blick unter seine Bandagen gestatten? Esmeralda hatte ’nen Jackpot dagegen mit ihrem Glöckner.«
    »Tu dir einen Gefallen, großer Bruder: Halt den Mund und geh einfach.«
    »Ich schau morgen wieder vorbei.«
    »Gut.«
    Er war jetzt allein mit ihr. Der hässlichste Mann der Welt und dieses unglaublich hübsche junge Ding, das ihn wegen seiner Seele liebte. Nur dass Hiobs Seele schwarz und ausgefranst war wie das Feldbanner eines Raubritters. Er war das Biest, das kein Prinz werden konnte, John Merrick, der röhrend über Anne Bancroft herfiel, um sie zu vergewaltigen.
    Es ist von unbedingter Notwendigkeit, sagte sich Hiob, dass ich ein besserer Mensch werde.
    Innerlich laut und hysterisch über diesen absurden Gedanken lachend, schlief er wieder ein.
    Immer wenn er ein wenig erwachte, wenn er ein paar Sekunden hatte, bevor die ihm verabreichten Medikamente ihn wieder unter Wasser drückten, konnte er spüren, dass sie da war, neben seinem Bett saß.
    Er dachte über Widder nach. Das war schon eine seltsame Situation. Da er dies letzte Prognosticon überstanden hatte, hatte er wohl Widder gewonnen, ganz für sich allein. Widder war die fleischgewordene Libido, der femininste aller Träume, theoretische Pornographie in vollendeter Praxis, ohne die allerkleinste Reue, aber es war schwer, sich darüber klarzuwerden, was er eigentlich für ein Lebewesen empfand, das keine richtige Gestalt hatte, sondern sich seine verlockenden Körper immer erst zusammenborgen musste. Dieses Mädchen hier jedoch, Myriem Seferi, war echt. Er brauchte nur den Arm auszustrecken und konnte ihre kühle Echtheit berühren. Und doch war es ihm verboten, sie zu lieben. So genial ihm sein Kontrakt in den Anfangsmonaten erschienen war, so merkwürdig versetzt fühlte er sich jetzt, wie ein Fußballer, der unter vollem und begeistertsten Körpereinsatz ins Abseits gelaufen ist.
    Zwei weitere Tage vergingen. Hiob, der am ganzen Körper bandagiert war wie Rebis von der Doom Patrol , wurde noch viermal von Kopf bis Fuß mit einem lindernden Gel eingesalbt, das eine angenehme Wärme entfaltete und ein bisschen nach Rosmarin roch. Anschließend wurde er immer wieder neu verpackt. Seine alte Haut brach blätternd und borkend nach und nach ab und machte einer neuen, albern rosigen Hautschicht Platz. Die Ärzte schwafelten ihm was vor von Schuppenflechte und einer seltenen Art von allergischer Neurodermitis, die vielleicht nach ihm benannt werden könnte: Morbus Montag. Myriem war immer dabei und erzählte ihm wieder und wieder die Geschichte, wie sie sich um ihn Sorgen gemacht hatte und sie irgendwie das

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