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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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stattgefunden hatte, ob der Polizeistaat nicht bereits voll etabliert war, und es hatte nur niemand mitgekriegt.
    Hiob beschloss, sich eine gesunde Dosis Gesetzlosigkeit zu verabreichen, und verabredete sich für einen dieser Abende mit Kamber in einer Bar im Prenzlberg-Distrikt. Er wollte zur Abwechslung auch mal wieder nur ›unter Männern‹ sein; manchmal machte ihm seine ja schon fast eheähnliche Beziehung zu Widder eine Heidenangst. Dann aber sagte er sich wieder, ey Alter, sie is ja schließlich keine gewöhnliche Wippe, she came schließlich voll aus outer space. Und war damit noch weirder als die explodierenden Titten von Anna Nicole Smith.
    Dieser äußerst späte Frühlingsabend sah ein bisschen aus wie von einem syphilitischen Impressionisten gepinselt: viel dickfarbiges Blau, das sich fingerhakelnd überlagerte, die Häuser wucherten darin als fahle gräuliche Schatten, Menschen huschten gesichtslos, stöhnend. Laternen zischten Licht aus wie Dotterflecken auf den Fischnetzhäuten der Nacht. Ein Geruch strich dicht über den Bordsteinen dahin wie von Tuschkästen, jahrzehntelang ungeöffnet vertrocknete Wasserfarben. Hiobs Schatten ging verwachsen, das eine Bein viel länger als das andere, neben ihm her, mürrisch, kurz davor aufzubegehren. Der Adresse nicht mehr sicher – langsam, mit jedem Schritt sich weiter neigend, entglitt sie seinem Gedächtnis und zerschellte lautlos zwischen Kopfsteinpflastermustern, die wie Schatzkarten aussahen – musste Hiob sich nach ebenjener Bar erkundigen. An etlichen kam er vorbei, mit blinzelnden Neonverheißungen, auch einem Kino begegnete er, in dem er noch nie gewesen war. Als er sich einem Mann zuwandte, um ihn noch mal nach der richtigen Richtung zu fragen, wandte dieser sich ihm zu und fragte ihn etwas oder sagte etwas, das sehr eigenartig klang, dann ging er hinter Hiob in ganz oder sagte etwas, das sehr eigenartig klang, dann ging er hinter Hiob in ganz anderer Richtung fort. Verwundert, ja leicht benommen, irrte Hiob sich weiter, gar nicht mehr so sicher, wo er eigentlich hinwollte.
    Kamber saß mittlerweile auf einem der hohen Hocker am Tresen und wartete. Er hatte gerade sein zweites Glas eines mango-aromatischen Braindrinks begonnen. Seit er wieder öfter mit seiner Familie zusammen war und sich insbesondere um einige geschäftliche Angelegenheiten der Stadt innerhalb der Stadt kümmerte, bemühte er sich, keinen Alkohol mehr zu trinken, denn er wollte sich des muslimischen Way of Life wieder bewusster werden. Es fiel ihm nicht schwer, es machte sogar Spaß, ernährungstechnisch wieder auf so manches Liebgewonnene zu verzichten. Da lag ein eigener, schwer zu erklärender Kick drin.
    Die Bar hatte er wegen der Musik ausgesucht, im Augenblick spielten sie gerade ein achtzehnminütiges Stück von DJ Shadow, eins, das er selbst natürlich schon oft aufgelegt und auch schon bearbeitet hatte. Zur Zeit, als der Hip-Hop sich entweder zu zuckersüßer Coolio-Abkoche prostituierte oder aber die verschrobene Atonalität der Wu-Tang-School vorherrschte, gefielen ihm die düsteren Soundscapes der hilflos als ›TripHop‹ bezeichneten Unbezeichenbarkeiten ziemlich gut, vor allem dann, wenn keine weiße Zicke dazu sang. DJ Shadow zum Beispiel schrieb wirklich einen guten Original Music Score für Leute, die gerade ein Verbrechen planten oder vielleicht ihren Selbstmord oder jede beliebige Art von Umsturz. Es war keine Musik für kleine Menschen und nichtige Anlässe. Es hatte Kamber ausgezeichnet in den Kram gepasst, dass sich Habib, der Magier, heute Nachmittag bei ihm gemeldet hatte. Es war vielleicht wirklich an der Zeit, ihn über die neuen Entwicklungen in Kenntnis zu setzen.
    Natürlich kam Hiob zu spät. Glücklicherweise war das Mädchen, das in Kambers Nähe saß, sehr attraktiv, sodass ihm nicht allzu langweilig geworden war beim Warten. Als Hiob durch die Tür kam, blinzelte er irritiert, schaute sich suchend um und kam dann mit langsamen, fast schlurfenden Schritten zu Kamber an den Tresen. Hiob wirkte desorientiert, ein wenig amnesisch, aber das war eigentlich nichts Besonderes bei ihm. Kamber orderte ihm einen doppelten Malt.
    »Freut mich, dass du’s doch noch geschafft hast. Dachte schon, du willst mich versetzen.« Seitenblick. »Was los, Alter? Bist du in fremden Hosen zu dir gekommen?«
    »Wie? Quatsch. Nein. Ist nur ... mir ist nur vorhin was ganz Blödes eingefallen. Was, was ich vergessen hab. Ich erzähl’s dir gleich.« Hiobs Stimme klang

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