Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
ein bisschen, als müsste er gleich kotzen. Vielleicht hatte er schon getankt oder sich ’ne ungesunde Brühe gespritzt. Kamber wartete geduldig, bis sein alter Kumpel seinen Whiskey eingesaugt hatte, das Glas mit beiden Händen umklammert. »Weißt du«, begann Hiob, jetzt grinsend, »ich kann’s dir ja auch gleich erzählen. Einer der Gründe, weshalb ich dich sehen wollte, war, dass ich Myriems Adresse nicht mehr weiß. Ich meine – klar, ich weiß noch, wo deine Familie wohnt, aber ich bin mir jetzt gar nicht mehr sicher – hast du mir nicht mal erzählt, dass Myriem ausgezogen ist oder so was? Dass sie jetzt ihre eigene Wohnung hat?«
»Das hätte ich dir auch am Telefon schon verraten können. Myriem wohnt immer noch zu Hause, sie ist ja noch nicht volljährig, wo kämen wir denn da hin? Außerdem sind wir Muslim, Mann, schon vergessen? Bevor sie nicht ordentlich unter der Haube ist, kriegt sie keine eigene Wohnung.« Hiob wollte was sagen, aber Kamber unterbrach ihn: »Du bist natürlich was Besonderes.«
Hiob zuckte zusammen. »Wieso bin ich was Besonderes?«
»Ich meine, als sie bei dir einziehen wollte, nach deinem Krankenhausgig. Dagegen hatten wir nichts. Erstens ist sie in dich verliebt, und zweitens bist du ein Freund der Familie.«
»Vielen Dank.«
»Heiraten kannst du sie natürlich trotzdem nicht, bevor du nicht deinen ganzen jüdisch-pantheistisch-satanistischen Bullshit gegen den Koran eingetauscht hast.«
»Hab ich gar nicht vor ... sie zu heiraten.«
»Weiß ich doch. Allerdings wollte ich dir mal ein bisschen auf deine weißen Zehen treten, Brother. Wie du sie behandelt hast, nachdem sie dir das Leben gerettet hat ... ich kann’s nicht anders ausdrücken: Wenn du jemand anderes wärst, hätte ich dir mal mit ’n paar Freunden ’nen Besuch abgestattet. Sie ist meine kleine Schwester, und ich achte darauf, dass niemand ihr wehtut. Verstehst du das? Eines Tages, nachdem sie zu dir gezogen war, um dich zu pflegen, kam sie nach Hause, schloss sich ein und heulte stundenlang auf ihrem Bett. Später hat sie mir erzählt, dass sie förmlich zusehen musste, wie du’s mit einer blonden Nutte getrieben hast. Habib, Habib, Habib, ich kann dir sagen, so wird aus dir nie ein Mann von Ehre.«
Hiob starrte in sein leeres Glas. Sein gedunsenes Spiegelbild im gewölbten Glasboden schien ihn mehr zu interessieren als das, was Kamber erzählte. »Ich weiß nicht, ich habe irgendwie im Hinterkopf, dass du mir mal erzählt hast, sie wäre ausgezogen. Ich weiß auch nicht, wieso.«
»Das war vor einem halben Jahr. Da ist sie für drei Wochen in die Wohnung von Bekannten gezogen, um auf die Katzen aufzupassen.«
»Stimmt!« Hiobs Miene hellte sich auf. »Das war’s. Und jetzt ... ist sie in der Wohnung deiner Eltern?«
»Jetzt?« Kamber schaute auf seine Armbanduhr. Spät genug. »Ich hoffe doch. Wenn sie sich nicht wieder rumtreibt. Willst du sie besuchen gehen?«
»Genau darum geht es. Das ist ziemlich schwierig zu erklären. Das ist das, was ich vergessen hatte. Ich will sie besuchen gehen, aber nicht heute, nicht jetzt. Ich hab eine Überraschung für sie vorbereitet, die ich ihr irgendwann in den nächsten Tagen überbringen will, aber was ich völlig vergessen hatte, ist: Ich muss diese Überraschung unbedingt heute noch in die Wege leiten. Verstehst du?«
»Ich bin ja nicht bescheuert.«
»Ich muss mich mit jemandem treffen in genau ... wie spät haben wir’s jetzt?«
»Halb elf.«
»In genau einer halben Stunde. Hör zu, Kamber, ich mach dir ’nen Vorschlag: Hast du’s eilig?« Kamber schüttelte den Kopf. »Dann bleib hier und warte auf mich. Ich zisch schnell ab, treff mich mit dem Typen, mach die Übergabe klar und komm dann wieder zurück. In genau einer Stunde bin ich dann wieder da. Und du bleibst schön hier und wartest auf mich, okay? Ich will nicht, dass du mir hinterherspionierst. Es soll ’ne Überraschung werden.«
»Muss ja ’ne verdammt große Schmuggelwaren-Nachtseitendeal-Überraschung sein. Du willst meiner kleinen Schwester doch nicht etwa ’n Kilo Koks schenken?«
Hiob starrte ihn verständnislos an. »Abgemacht? Geht die Sache klar?«
»Eine Stunde, Bruder. Dann verschwinde ich hier. Ich hab heute Nacht nämlich auch noch was vor.« Er zwinkerte dem Mädchen neben sich zu. Sie schürzte die Lippen und tat ganz furchtbar desinteressiert.
Hiob ließ sich vom Hocker rutschen. »Du bist’n echter Kumpel. Du wirst staunen. Für dich fällt auch noch was
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