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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Verdopplung einer Schicki-Micki-Tante waren, entstanden keine richtig greifbaren Verbrechen. Das Meiste wurde wohl als Amnesie, Schlafwandlerei oder eheliche Untreue erklärt und mittels kostspieliger Psychotherapeuten so lange wegsodomisiert, bis der Haussegen wieder gerade hing.
    Sechs solche Stunts reichten vollkommen aus, um Hiob und Widder sicher über den Sommer und voraussichtlich auch bis in den Herbst zu bringen, und die beiden konnten sich jetzt öfters sogar mal ’nen guten Schampus oder ein paar frische Lachsbrötchen zuführen. Sie waren zwei junge Verliebte, auch wenn sie ein paar Tausend Jahre älter war als er, aber das sah man ihr nicht an, sie hatte sich sehr gut gehalten.
    Das Einzige, was jetzt noch fehlte, war ein neues Prognosticon.
    Hiob fing sogar schon an, aufmerksam mehrere Zeitungen zu durchstöbern, ob ihm vielleicht eins auffiel, aber der Architekt des Leidens hielt sich nach seiner verlorenen Wette offensichtlich genauso zurück wie vor dem Showdown der Wettphase. Kein Zweifel war möglich, dass NuNdUuN wieder etwas besonders Abgefeimtes ausheckte. Jeden Morgen betrachtete Hiob sein Gesicht aufmerksam im Spiegel. Aber es war ja nicht wahrscheinlich, dass der Gegner zweimal hintereinander auf derselben Flanke vorstoßen würde.
    Hiob streunte. Wenn nicht direkt etwas Bekämpfbares anlag, tendierte er zum Slacken. Er war ja kein Sportler, der sich gezielt auf den nächsten Wettkampf vorbereiten und so was wie Muskelmasse und Schnellkraft aufbauen konnte, um beim nächsten Mal besser und sicherer abzuschneiden. Er wusste ja nie genau, was eigentlich auf ihn zukam, und musste sich eine gewisse improvisatorische Wendigkeit aufrechterhalten. Sicher hätte er sich in die Gruft zurückziehen können, um zu meditieren. Er hätte sich hart und enthaltsam abplacken können, um sein Astralreservoir ein bisschen auszuweiten. Aber was sollte das groß bringen? Bisher war ja alles gut gelaufen, und war nicht jemand ein Verlierer, der in Klausur meditierte, während ein Geschöpf wie Widder auf ihn wartete? Das Leben und die Welt waren definitiv beschissen genug, man musste sich nicht auch noch selbst geißeln.
    Also soff er viel teures und leckeres Zeug, jagte sich ein paar neue exotische Verbindungen durch die Venen, er trieb es heftig und ausufernd mit Widders verschiedenen Erscheinungen, er ergab sich sogar mal ausgelassen dem Trend und ging mit Widder auf zwei Wochenend-Raves. Dort tanzte er, bis seine Substanz so weit runter war, dass sein Schweiß nach Lakritz zu riechen begann, und einmal, im Fokus einer 240bpm-Entfesslung, zuckten sogar grünliche Energieentladungen aus seinen gespreizten Fingerspitzen, was die ecstasy-bedröhnten Kids ringsum zu »Oohhh!«- und »Aaahhh!«-Rufen veranlasste, sie aber ansonsten nicht weiter irritierte. Sie alle waren schön, sie waren jung, und sie hatten überhaupt keine Zukunft. Das verband. Tagsüber streunte er meist durchs ehemalige Ost-Berlin, wo er sich noch nicht so gut auskannte und mangels Straßenschildern auch oft in die Irre lief. An U-Bahn-Ausgängen lauerte ihm jedes Mal eine so zahlreiche Horde vietnamesischer Zigarettenschmuggler auf, dass der rambo-film-gebildete Mitteleuropäer schon fast versucht war, »Gook Attack!« zu brüllen und mit hartem Gesicht rüttelnd ein paar MG-Laufmagazine zu streuen. Aber innerhalb einiger Wochen erledigten die Charlies das ja selbst, untereinander. Ansonsten faszinierte ihn der ungeschminkte Kontrast zwischen weithin aufstäubendem Abbruch in ganz großem Stil und den neuen, getönten Glasfassaden der zukünftigen Einkaufsstraßen, die alle irgendwie wie Computersimulationen aussahen: kalt, hart und ohne Menschen. Freigiebig geworden durch das neue gesicherte Einkommen, drückte Hiob den zerpiercten obdachlosen Mädchen, die magerer als ihr Hund irgendwo hockten und mit traurigen, drogenverätzten Augen lallend um Kleingeld bettelten, manchmal Zehnmark-, manchmal sogar Fünfzigmarkscheine in die kleinen Fäuste. Für die Männer hatte er weniger übrig, das war nun mal so bei ihm. Und es war hochinteressant zu bemerken, wie sehr einem die Polizeiwagen überall in der Stadt plötzlich ins Auge stachen, seit man mit der Kripo Schwierigkeiten hatte. Manchmal sah Hiob an einem einzigen Tag so viele von diesen grün-weißen Volkswagenbussen patrouillieren, aus denen junge Beifahrerpolizisten mit schmalen Augen nach Beute Ausschau hielten, dass er sich zu fragen begann, ob der Putsch nicht vielleicht schon längst

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