Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Tageszeitung abonniert hatte, die Tageszeitung aus dem Briefkasten gestohlen.
Zu nachtschlafender Zeit musste er deshalb raus, um zwei Ecken, zu einem hell erleuchteten Kiosk, den er vorher noch nie gesehen hatte. Zwischen mehreren dicken Frauen hindurch versuchte er, einen Blick auf die Auslage zu erhaschen, ob seine Zeitung überhaupt dabei war, aber die Sache gestaltete sich als schwierig, denn er wusste ja gar nicht, welche seine Zeitung war. Zufällig traf er zwei Männer, die er von früher her kannte. Das heißt, eigentlich war es nur einer von den beiden, aber einmal mit und einmal ohne Bart. Die beiden unterhielten sich über einen Film, der letzten Mittwoch im Fernsehen gelaufen sein sollte und in dem jemand geköpft und ein Motorradfahrer auf dem Körper eines anderen seine Motorradkunststückchen gemacht haben sollte. Ihnen fiel der Titel des Streifens nicht mehr ein. Hiob bot ihnen seine Hilfe an, sagte, er sei gut in Horrorfilmen. Sie kamen nicht darauf zurück. Man trennte sich wieder, ohne Zeitung schlenderte Hiob in Richtung seiner Wohnung zurück. Die Straße war breiter geworden, irgendwas war da los, viele Menschen wimmelten herum, gafften. Polizeiblinklichter und Ambulanzwagen. Hiob erhaschte einen Blick in ein italienisches Restaurant, das vorher nicht da gewesen war. Rote Spuren von Blut auf dem Boden, aber es war ein italienisches Restaurant, es konnte auch Tomatensoße sein. Ein Mädchen fiel ihm auf, zwischen den Schaulustigen. Sie hatte lange braune Haare und ein hübsches Gesicht, war vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahre alt, schwer zu schätzen. Offensichtlich ohne Begleitung streunte sie zwischen den Neugierigen herum, tauchte mal hier auf, mal dort. Obwohl es sonst nicht seine Art war, Kinder anzufassen, packte Hiob sie am Arm, hielt sie fest und fragte sie, ob sie wisse, was hier los sei. Sie erzählte ihm, dass Chinesen einen Mord begangen hätten. Hiob erhaschte einen Blick auf ein mit Blut gemaltes Zeichen neben der Ristorante-Eingangstür, das auf den ersten Blick chinesisch aussah, aber auch zwei spiegelverkehrt nebeneinandergestellte ›R‹s sein konnte. Er bot dem Mädchen an, sie nach Hause zu bringen. Sie gingen durch weite Neubaulandschaften. Alles Licht war grau. Sie schmiegte sich gegen seine rechte Seite, und in komplizierter Armhaltung hielt sie ihre linke Hand in seiner Linken. Wie tanzend, nur laufend sich fortbewegend. Er fragte sie nach ihrem Namen. »Coriscal«, sagte sie. »Sie hatten ein ›Cal‹ übrig, also nannten sie mich Coriscal.« Sie sah Hiob ernst an. Er hatte Mühe, diesen Namen zu behalten. Sie kamen an ihrer Haustür an. Neben dem Klingelbord prangte das doppelte ›R‹ in roter Farbe. Verwirrt wachte Hiob auf.
Rücksichtslos weckte er die neben ihm schlafende Widder. Fragte sie, ob der Name Coriscal ihr irgendetwas sage. Sie murmelte verneinend. Er bohrte nach. In magischer Hinsicht. Im Fließ. In Verbindung mit einem Mädchen. Er beschrieb das Mädchen aus seinem Traum. Widder verneinte murmelnd und schlief wieder ein.
Hiob setzte sich auf und dachte angestrengt nach. Coriscal. Was für ein ungewöhnlicher, ihm völlig ungeläufiger Frauenname. Der einzige andere auf -al endende Frauenname, der ihm einfiel, war ›Chantal‹. Ansonsten hätte Coriscal auch ein Firmenname sein können, so ähnlich wie diese Filmfirma namens Carolco. Und was konnte Coriscal bedeuten? Corporation Rising California? So richtig viel Sinn ergab das nicht und war noch dazu beschissenes Englisch.
Na ja. Das war ein ungewöhnlich intensiver Traum, musste ja aber nicht unbedingt auch etwas bedeuten. In der Nacht davor hatte Hiob geträumt, er stehe vor einem riesigen Süßwarenregal in einem Supermarkt und hätte zwischen den kuriosesten Süßigkeiten auszuwählen, unter anderem einem ganzen Sortiment religiöser Alkoholpralinen mit Namen wie ›Wir glauben an Gott‹ und ›Heiden zum Hohne‹ sowie einzeln verschweißtem Popcorn mit der mikroskopisch kleinen Aufschrift Verschickt über Böhmen nach reiflicher Überlegung, ob bunt zu kandieren oder nicht . Hiob hoffte, dass auch dieser Traum nichts bedeutete, und hatte wahrscheinlich sogar recht.
b) Faith
Tagsüber versuchte Hiob nun schon zum wiederholten Male, eine Verbindung zum Chef zu bekommen, wurde a ber immer von unbarmherzigen Vorzimmerdämonen abgeschmettert. Der Chef hatte keine Zeit, war anderweitig beschäftigt, war in einer wichtigen Besprechung. Es war zum Kotzen.
Hiob wollte an NuNdUuN rankommen,
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