Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Kluft war ungewohnt an Kamber. Bei ihrer neuerlichen Verabredung hatte Kamber wieder – genau wie vor ein paar Tagen – nur sehr ausweichend etwas erwähnt von »wichtigen neuen Entwicklungen«, über die er mit Hiob sprechen musste. Hiob riet schon jetzt ein bisschen, während er sich rohe Tintenfischscheibchen schmecken ließ. Entweder hatte Kamber einen Warner-Brothers-Entertainment-Vertrag über seine Reblin-Geschichten unterzeichnet, oder er war jetzt vollständig zur Türkenmafia übergelaufen.
»Die Sache ist die«, begann Kamber, nachdem die unter Freunden üblichen Frotzeleien durchgelaufen waren, »dass ich das Gefühl gehabt habe, langsam in ein Alter zu kommen, in dem ich Entscheidungen treffen muss.«
»Wir sind beide noch keine fünfundzwanzig.«
»Aber genau das meine ich. Wir sind keine Kinder mehr und keine Jugendlichen. Mein Vater fragt mich dauernd, ob ich mir schon eine gesucht habe zum Heiraten. Sicher, ich habe schon ein bisschen was erreicht mit meinen Sendungen, im VIDEODROM kann man sich ein Videotape mit mir ausleihen, cool, man, das macht mich zu so was wie einer lokalen Berühmtheit. Aber ich hab’s langsam satt, dauernd von den Bullen rumgehetzt zu werden, weil es nicht legal ist, die fuckin Frequenz von fuckin Hundertkommasechs mit einem Störsender zu überlagern. Ich hab’s langsam satt, dass die Leute mittlerweile anfangen, meine Reblin-Stories cute zu finden und unterhaltsam, und dass ich mich beim Schreiben dabei ertappe, auch ja nicht zu provokativ oder brutal zu werden, um diejenigen nicht zu verstören, die sich einfach nur geilen Westernshit mit grooviger Mukke reinziehen wollen. Ich meine, was ist das denn eigentlich, was ich da mache? Satire? Parodie? Kabarett? Kleinkunst? Aw, c’mon, man, geh mir vom Schwanz. Ich hasse diese ganzen Arschlöcher so sehr, ich hasse diese ganzen beschissenen, eitlen, gierigen Selbstbereicher-Politiker so motherfuckin sehr, dass ich überhaupt keine Lust mehr habe, den Clown zu spielen, der die Regeln einhält. Ich bin mir darüber klargeworden, dass ich kein Interesse mehr daran habe, jemanden zum Lachen zu bringen. Ich will jemanden zum Weinen bringen, und zum Schwitzen, und zwar nicht irgendein ... Transmissions-Publikum, sondern die Verantwortlichen selbst. Die Politiker. Die Wirtschaftsbosse. Die feisten christlichen Kleriker. Den ganzen zynischen Abschaum. Ich will sie aus den Angeln heben, Habib. Unsere Welt treibt in einem brüchigen Nachen auf einen Niagara-Fall aus Scheiße zu, und ich sitz hier rum und bereichere den Äther mit We’re gonna have a funky good time.«
Hiob hatte aufmerksam kauend zugehört. »Und was willst du machen? Terrorismus?«
Kamber lächelte. »Das bringt doch nichts. Nein. Geld will ich machen. Über meinen Vater, meine Onkel und die Freunde meiner Onkel komm ich in diese Welt rein. Tatsächlich bin ich schon ein Stück weit drinnen, du hast mir damals gut geholfen, bei der Sache mit Neriman Inces Sohn.«
»Hab’s nicht vergessen.«
»Ich dir auch nicht. Ich hab angefangen, mir einen Namen zu machen als jemand, zu dem man kommen kann, wenn man ein Problem hat.«
»Kamber Don Vito Seferi.«
Kamber lachte auf. »Noch bin ich eher wie Michael Corleone im ersten Teil. Aber es geht nicht um Verbrechen, Habib. Es geht nicht um Mord oder um Drogen oder den ganzen Scheiß, du weißt genau, dass ich niemals Drogen an kleine Kinder verkaufen könnte. Es geht um Geld. Um Aktien. Um Wirtschaft. Um Macht. Um Einfluss. Darum dreht sich alles. Es gibt keinen einzigen Politiker heutzutage, den man nicht kaufen kann, nein, noch besser: Es gibt fast keinen einzigen Politiker heutzutage, der nicht längst schon gekauft worden ist. Und wenn ich diese Kerle erst mal auf der Lohnliste meiner Familie habe ... dann lasse ich sie durch einen Feuerreifen in ein Bassin voller brennendem Terpentin springen und dabei bellen.«
»Da wär ich gern dabei.«
»Deshalb erzähl ich dir das alles. Ich weiß, dass du gerne bei so was dabei wärst. Also sei es! Arbeite mit mir zusammen, Brother. Die Ince-Sache damals hat ganz hervorragend geklappt. Kennst du diesen Comic Mobfire ?«
»N-n.«
»Spielt in England, in einem fiktiven London, in dem Magie existiert. Es geht um absolut cool gestylte Gangsterfamilien, um einen harten jungen Typen, der sie alle in die Knie zwingen will – und das Edle daran ist: Jeder dieser Gangsterclans hat seinen eigenen Magier. So wie Camelot Merlin hatte. Das ist es, was diese Gangster da so
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