Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
schon ein paar Jahrhunderte länger an als deine, und du bist weder der Erste, noch der Zehnte, noch auch nur der Tausendste, und erst recht und überhaupt nicht der beste Mann, mit dem ich’s je getrieben habe. Dass du dich in mich verliebt hast und jetzt romantische Vorstellungen zu hegen beginnst, das ist die Essenz meines Daseins, meine mir zugedachte Aufgabe, und die beherrsche ich nun einmal. Aber bilde dir bloß nicht ein, dass ich ganz dumm und verwirrt werde, wenn ich mit dir zusammen bin, und an gar nichts anderes mehr denken kann als an deine Zärtlichkeiten, du starker Held. Das ist völlig absurd. Ich bin dir zugeteilt worden kraft eines sachlichen Vertrages, und deshalb hat es mir gefallen, dass du ein exzentrischer und interessanter Spieler warst, der Erfolge vorweisen konnte, deren Glanz auch mich beleuchtete. Aber wenn du dich nun immer mehr als Vollidiot entpuppst, der vor lauter hohler Angeberei seine Trumpfkarten nicht mehr zusammenhalten kann, dann kann kein Vertrag zwischen den Welten von mir verlangen, den Gestank deiner verspritzten Innereien abzubekommen.« Sie erhob sich mit einem für Hiob extrem schmerzhaften Ruck und tackerte auf ihren hohen Absätzen zur Tür. »Moment mal«, rief Hiob ihr hinterher, und sein Gesicht war ganz verzerrt. »Wir haben diesen Vertrag, vergiss das nicht! Du bist für mich, für all meine Zeiten, und wenn ich dich brauche, kann ich dich rufen!«
»Ah ja? Dann versuch mal, mich zu zwingen.«
Die Tür knallte zu, und Widder war weg. Das schönste Gesicht aller Zeiten blieb verhüllt, nebensächlich, vergessen.
Was war denn das jetzt gerade gewesen? Die Heftigkeit von Widders Emotion war für Hiob völlig überraschend. Irgendwie erinnerte ihn der gerade gelaufene Streit wirklich an eine von diesen Filmszenen, die er schon als Kind immer gehasst hatte: Der Held macht sich auf in seinen letzten und entscheidenden Kampf, und die Frau stellt ihn vor die völlig bescheuerte Wahl, entweder sie oder der Kampf, und selbst wenn er gewinnt, wird sie nicht mehr da sein und der ganze Sermon, mit dem sie dem Helden ganz unnötige zusätzliche Kopf- und Bauchschmerzen bereitet, als ob er nicht schon genug Probleme hätte, und überhaupt ist der wirklichkeitsfremde Nesttrieb der Frau völlig kontraproduktiv für den Helden, sodass Zuschauer JungHiob ein Faible für Filme entwickelte, in denen erst überhaupt keine Weiber vorkamen, oder wenn doch, dann wenigstens nicht so dumme, einfühlungsunfähige Schnatterliesen, die noch dazu den Showdown nur unnötig hinauszögern, denn am Ende wird ja doch alles gut, also wozu der ganze Mist?
Hier war aber natürlich alles ganz anders, denn Widder hatte keinen Nesttrieb, und als erfahrener Sukkubus hatte sie es auch nicht nötig, sich selbst zu bestätigen oder sich von ihrem augenblicklichen Stecher bestätigen zu lassen. Da steckte etwas anderes dahinter. Sie war zu ihm gekommen, um ihm eine Freude zu machen, ihre Antriebe waren Sorge, Mitgefühl und Vorfreude über ihre gelungene Überraschung gewesen. Dann hatte er sie mit seiner Eröffnung schockiert, und sie war in Enttäuschung, Panik und letztendlich Wut verfallen. Ahnte sie vielleicht mehr, als sie Hiob hatte verraten wollen, über die Natur der zweiten Manifestation? War es vielleicht möglich, dass sie selbst das Ziel war – dass NuNdUuN diesmal sie anstelle von Myriem töten wollte, um Hiob zu verletzen? Dass sie sich deshalb so vehement zurückziehen wollte, weil sie sich von Hiob verraten fühlte, der wie ein leidenschaftlicherer Judas mit Küssen über sie herfiel, während er geheime Verabredungen mit dem großen Unheilsbringer traf? Dass sie ahnte, dass sie sterben würde, nur weil Hiob dumm war und unbeherrscht?
Oder war das viel zu weit hergeholte Schwarzseherei, bedingt durch seine im Augenblick nicht gerade besonders beglückende Lage, und Widder war einfach nur sauer, weil er ihre aufwändige Überraschung mit rückhaltloser Egozentrik kaputtgepiekst hatte?
Hiob hing verankert in den komplizierten meditechnischen Arretierungen, die ihn gegen unbedachte Bewegungen schützen sollten, und versuchte sich das phantastische Gesicht unter dem schwarzen Schleier vorzustellen und wie es sich im Zorn entstellte – aber noch vergeblicher waren seine Bemühungen, sich an den genauen Moment zu erinnern, an dem alles angefangen hatte schiefzulaufen. Denn das war nicht nur ein einzelner Moment in jüngster Vergangenheit. Das ließ sich endlos zurückverfolgen, springend
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