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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Geschichte.
    Ihm fallen die Zeiten ein, als sein Vater noch lebte, und als es tatsächlich – zumindest ab und zu – noch so etwas gegeben hat wie eine Pastorale familiärer Geborgenheit vor dem Hintergrund des tosenden Kampfplatzes der Drachen da draußen. Die Augen, die Hiob gegeben wurden, um Hässlichkeiten zu erkennen, die Ohren, die ihn zwangen, Lärm bis ganz zur Neige in sich aufzunehmen, die Nase, die den Gestank der Verderbtheit im Übersprung zu schmecken lernte – waren dies nicht die Gaben eines gutgelaunten, flammenrot gekleideten, vollgefressenen Teufels mit weißem Schaum vor Mund und Kinn? War nicht der Rest nur Illusion? Die Seligkeit der geistig Armen? Und warum blieb ihm diese Seligkeit verwehrt, die blöde Blindheit einer Zante, die sich nur um ihr eigenes kleines Geschäft kümmern konnte in einem Schlund des Irrsinns, Kambers rührender Glaube an die Bewältigbarkeit des Armageddons, das harmonistische Naturverbundenheitsgesäusel seiner zugekifften Mutter, die über der verrottenden Leiche des eigenen Mannes mit fremden Mördern Tango tanzte, der Elfenbeinturm des greisen Großvaters, stolzer Elitarismus, der den Höllenwinden trotzt und nichts riskiert, weil unbewegt er steht, fast wie schon tot, das scheuverklappte Vorbeitrotten der Millionen anderen an den funkensprühenden Konzentrationslagern der mit Drähten zum Lächeln maskierten Diktatoren. Warum blieb ihm versagt, sich einfach zu arrangieren mit dem Dunkel und dem Blut, in berauschenden Visionen von überblickbarer Klarheit aufzugehen wie Bernadette Jurow und Sonja Zimmermann? Was ein naheliegender Gedanke ist, denn Sonja brannte auch. Von seiner Hand wie die hier drin von seiner Unterlassung.
    Hiob denkt zurück an die Eröffnung, damals, den ersten Kontakt mit Widder und NuNdUuN und dem Spiel, und die immer wieder selbe Lektion, die der Fürst ihn seither lehrte: Es ist einfacher zu zerstören als zu bewahren, und wer versucht zu bewahren, zerstört am allermeisten.
    Doch kein Weg mehr zurück von dieser Position aus. Kein Schleudersitz, kein Notausgang, keine Hoffnung auf Erlösung. Nur immer so weiter bis zur absoluten Unerträglichkeit und dann noch ein Vielfaches darüber hinaus. Das Spiel. Die sicherste Methode, schon auf Erden im Feuer der Hölle zu brennen.
    Und dann, ihr Kinder, die ihr glauben wollt und doch des Hoffens müde seid, geschieht wieder das, was bisher noch jedes Mal geschah in einer solchen Schwäche: Es rührt sich dieser Stolz. Der Stolz darauf, ein Ausgezeichneter zu sein unter den Menschen, wenngleich »ausgezeichnet« hier »gezeichnet« meint. Stolz darauf, das Heft des Weltenschicksals in die eigenen Hände genommen zu haben und sich wenigstens nicht diktieren lassen zu müssen, was immer da auch komme. Stolz, den Kampf aufgenommen zu haben, ein Krieger zu sein. Aus dem Spiel dann halt den Krieg zu machen. Hiobs Krieg.
    Um die Seele des Planeten. Um Widder. Und um mich.
    Versteht ihr jetzt, warum er sich George Bailey nannte?
    Unter der Wucht der innen tobenden Gewalten blähen sich die Fenstergläser nach außen und platzen aggressiv. Die Gesamtkonstruktion Hütte schüttelt sich in ihrer Statik. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das ganze Teil zu einem großen prächtigen Julsfeuer in sich zusammenfällt.
    Hiob nimmt die Pumpgun, die neben ihm im Schnee liegt, wieder an sich, erhebt sich und geht ein paar Schritt von der Hütte weg. Schneien tut’s jetzt nicht mehr. Der schwarze Himmel hat den Atem angehalten. Auch das Schreien und Wehklagen ist verstummt. Da drinnen rühren sich jetzt nur noch das Feuer und Holzbalken, die sich ineinanderschieben, deren Stärke nachgibt. Hiob geht einmal um die Hütte herum. Unter einem der Fenster liegt ein bis zur Unkenntlichkeit gebratenes Ding von der Größe etwa eines erwachsenen Menschen auf dem Bauch. Glassplitter haben einige der mit noch blubberndem Fleischwasser gefüllten Brandblasen zerschnitten und zum Auslaufen gebracht. Das Ding lebt noch, zittert unkoordiniert und macht mit der Kehle ein klatschend-rasselndes Geräusch. So sehr Hiob auch versucht zu erkennen, ob es sich bei dem geschmolzenen Material, das in Fladen an dem Ding klebt wie schwarzes Kerzenwachs, nun um verschmortes Fell oder aber vielleicht um verbranntes Goretex handelt, es ist nicht möglich. Im Sterben sind alle gleich, wie’s scheint.
    Hiob nimmt den Gewehrkolben, schlägt damit zweimal zu, bis der ohnehin schon mürbe Hinterkopf nachgibt und das Wackeln und das

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