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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Hölle. Die zwölf unrettbaren Spielfiguren sitzen für immer in ihrem Matchbox-Bus und vertrauen darauf, dass Hiob den Wagen hält. Aber er hat Ruprecht geschockt. Er hat’s dem alten Kinderschreck gegeben.
    Der Fahrer des Räumfahrzeuges ist glücklicherweise clever genug gewesen, sich zu bewegen und warmzuhalten in dieser mörderischen Kälte. Er ist heilfroh, als Hiob endlich wieder auftaucht, heißt ihn aufzusteigen und zuckelt sofort los.
    Schon auf dem Hinweg, als Hiob noch nicht genau wusste, wo er hinmusste, hatte der Fahrer den Berliner gerne nach Sicheln mitgenommen, froh, auf der undankbaren Heiligabend-Schicht wenigstens einen Anhalter zum Plaudern zu haben. Auf dem Rückweg nach Lenggries, nachdem Hiob in Sicheln die Lage sondiert hatte, hatte der Magier ihm dort, wo er die Straße verlassen und sich zu Fuß zu den Hütten durchschlagen musste, suggeriert, dass das Vehikel eine irreparable Panne hätte und ohne Hiob auf keinen Fall weiter könnte. Das hatte ganz wunderbar geklappt. Der Fahrer ist kein besonders widerstandsfähiger Mann.
    Jetzt sitzt er neben Hiob, der sein Gewehr im Inneren des Mantels verbirgt, im matt beleuchteten Fahrerhäuschen, fegt und bläst mit seinem panzerartigen Kettengefährt Neuschnee über die überkrängenden Straßenränder und klagt vor sich hin. »Omannomann ogottogott oscheiße. Biggi wird mir die Hammelbeine langziehen. Es war klar, dass wenn ich mich für den Nachmittag einteilen lasse, dass ich dann rechtzeitig zur Bescherung zurück bin. Und jetzt? Heiligabend ist rum! Die Gans beim Teufel, keine Geschenke. Der Kleine wird heulen! Omannomann, und noch schlimmer: Sorgen werden sie sich machen. Ich konnte ja nicht mal funken.«
    »Mach dir doch nicht so ’nen Kopf, Alter. In einer Stunde sind wir da, so lange werden sie noch auf dich warten, und alles ist gut. Es wird bestimmt keiner auf die Idee kommen, dass du hier draußen in der Einöde fremdgegangen bist oder so was.«
    »Aber Heiligabend ohne Familie! Mann, das ist nicht gut. Das bringt Unglück für ’ s ganze nächste Jahr!«
    »Ach, weißt du, das kann man so und so sehen.« Hiob blickt hinaus durchs lauwarm beschlagene Fenster, auf den weiß vermummten Tann, die schweigenden Berge. »Es gibt Situationen, in heiligen Nächten, wenn dich die Geister einholen, da ist es besser, wenn keine Familie dabei ist.«
    »Meinst du echt?«
    »Mein Wort drauf.«
    Unter ihnen, im Tal, leuchtet Lenggries wie ein besonders sorgfältig herausgeputzter Weihnachtsbaum .



Prognosticon 10: Battle Arena Tokyo
    Mit welchem Gegner auch immer du auf Tod und Leben kämpfst,
    du überlegst nicht, ob du schwach oder stark zuschlägst;
    dein einziger Gedanke muss sein, den Gegner zu töten,
    und das weder mit einem bewusst starken
    noch freilich mit einem schwachen Hieb.
    An nichts anderes darfst du denken als an den Tod des Gegners.
    (Miyamoto Musashi: Das Buch der fünf Ringe)

1. Antai
    (Die Darstellung der friedlichen Ruhe)
    In der Nacht, wenn die linkischen bunten Horden der Touristen aus den uralten Gärten verbannt waren, lagen die Gebäude des Sengakuji-Tempels still unterm Mond wie eine Ansammlung nur lose miteinander verbundener Inseln.
    Denjiro Murakami bewegte sich lautlos zwischen den Büschen, dem Geruch der Räucherkerzen entgegen, der ewig vom Friedhof her ausstrahlte. Es war Januar, Winter, aber sehr mild, die Temperaturen lagen bei elf Grad über Null, und Murakami trug außer seinen Schwertern nur ein umgebundenes Lendentuch. Seine nackten Füße knirschten nicht auf dem Kies. Murakami eilte nicht. Er bewegte sich mit der dem Ort angemessenen feierlichen Grazie. Ein paar weiße und eine blassrote Papierlaterne vorm Haupthaus säumten seinen Pfad mit ineinander verwobenen Schattierungen.
    Das Tor zum Friedhof war des Nachts verschlossen, aber die Zaunumfassung niedrig. Murakami flankte nicht einfach hinüber, wie es ein Gaijin-Einbrecher vielleicht respektlos getan hätte. Er war ja auch kein Einbrecher. Er war ein Ronin, wie die Siebenundvierzig, und er kam, um seine Ehrerbietung zu bekunden.
    Mit den Bewegungen einer verlangsamten Katze stieg er erst auf die Umfassung, dann auf der inneren Seite wieder hinab. Sein Fuß blieb ohne Laut, kein einziger Toter wurde durch das Eindringen erschreckt. Jetzt lagen sie vor ihm, die siebenundvierzig Steinstelen, die Gräber jener großen japanischen Helden, deren Treue und Mut bis in den Tod hinein sie unsterblich gemacht hatte.
    Wie jedes Mal, wenn er nachts hierherkam,

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