Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
einer züngelnden hellroten Entladung unweit der Mitte. Er nannte es Christmett nahe Haiderland. Von so was abgesehen führte er kein Tagebuch.
2. Ryoko
(Die Darstellung der Fortbewegung)
Hamburg, St. Pauli. Das Viertel, wo man alles kaufen kann.
Ein Keller in einem der unscheinbareren Hinterhäuser ist in Wirklichkeit die beste Adresse, die Hiob von Kambers Kontakt für diese besondere Art von Geschäften genannt bekam.
Hiob ist für 11:30 Uhr telefonisch unter dem Namen »Drifter« angemeldet.
Es ist 11:37 Uhr.
Der Mann, der ihm die Tür entriegelt, die sich erst von der Rückseite als Hochsicherheitskonstruktion entpuppt, ist sehr dünn und blass, höchstens vierzig, mit wirr ausgedünnten halblangen Haaren und spricht mit sehr leiser und brüchiger Stimme.
»Ich bin Drifter.«
»Sie sind spät dran.«
»Tut mir leid.«
»Kommen Sie rein.«
Eine Werkstatt, nur von hinten durch eine hinter einem Vorhang scheinende Neonröhre ganz undeutlich erhellt. Der Mann knipst eine Klemmlampe an, die einen weißen Kegel ins Braun ätzt.
»Zeigen Sie mal her, das Ding.«
Hiob stellt die mitgebrachte Tasche auf einen sägespänbestäubten Tisch. Der Reißverschluss ist laut. Das Objekt in der Tasche ist zwischen Handtüchern und Styropormüll verpackt. Hiob legt es frei. Der Mann pfeift durch die Zähne die fünf Töne von I did it my way .
Das Objekt hat die Form einer Zigarre, an einem Ende spitz, am anderen abgeschnitten. Es ist aus silbrigem Metall, offensichtlich sehr schwer, etwa 20 cm lang und 5 cm im Durchmesser.
»Phantastisch«, haucht der Mann. Seine Fingerspitzen streicheln zärtlich das blanke Metall. »Ich kann die Radioaktivität prickeln fühlen.«
»Soviel ich weiß, strahlt es nur sehr schwach. Aber ich möchte es trotzdem nicht länger als nötig mit mir rumtragen müssen.«
»Verständlich. Ich habe gehört, dass aus den Forschungslabors der Freien Universität Berlin eins von diesen Schätzchen gestohlen worden ist.«
»Bei uns war davon nichts in den Medien.«
»Nicht Medien. Ich sagte ›Ich habe gehört ...‹ Ist dies das Ding aus Berlin?«
»Genau jenes.«
»Wundervoll. Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, ein Depleted Uranium -Geschoss aus der Nähe zu sehen, obwohl ich hörte, dass im Grenzgebiet zu Kuwait noch bis zu 300 Tonnen dieser Prinzessinnen im Wüstensand herumliegen.«
»Das habe ich auch gehört. Irak ist nachhaltig verseucht. Die Spätfolgen des Golfkrieges sind noch gar nicht abzusehen. Die Weltöffentlichkeit ist blind und taub und kriegt von ihren politischen Pflegern nur die eigene Kotze zu fressen.«
»So soll es ja auch sein. Ich will keine Details wissen, nur so als grobes Raster: Sind Sie Terrorist?«
»Nein. Eher das Gegenteil. Anti-Terror-Ein-Mann-Armee.«
»Na hübsch. Wo soll das Granätchen denn eingesetzt werden?«
»Japan.«
»Japan! Hah. Tokyo Drifter , jetzt verstehe ich den Codenamen. Kenn ich auch, den Streifen. Böses, bonbonbuntes Teil. Japan, das ist gut. Mal wieder ein bisschen gutes altes radioaktives Trauma nach Nippon exportieren, was? Ist schon fünfzig Jahre her seit dem letzten Mal.«
»Freut mich ja sehr, dass Sie in Filmkunde bewandert sind, aber wenn Sie jetzt hauptberuflich als Moralapostel arbeiten sollten, habe ich mich hier wohl in der Adresse geirrt.«
»Nein, schon gut, Freund Tokyo Drifter. Wer wird denn einen kleinen Scherz gleich so übel nehmen? Wir sind doch beide Profis. Schon ’ne Idee, wie das Kaliber durch die Flughafenkontrolle zu bringen ist?«
»Gar nicht. Ich schicke es per Post, genauer gesagt mit UPS, postlagernd. Ich kannte mal jemanden, der bei UPS als Packer gejobbt hat. Die durchleuchten da überhaupt nichts. Das Einzige, was man nie mit UPS schicken sollte, ist etwas Zerbrechliches.«
Der Mann kichert. »Das kann ich bestätigen. Ja, das könnte klappen. Was ist das Ziel? Eine Art Battletech -Kampfroboter?«
»So komisch das klingt: so was Ähnliches. Durchaus vergleichbar.«
»Huii. Na gut. DU ist das härteste Metall der Erde. Dagegen sieht das Wolfram der Bundeswehr wie Esspapier aus. Damit muss man durch jede Panzerplatte kommen.«
»Das ist die Idee dabei. Ich habe keine Lust mehr, mich auf Kleinkaliberpimpereien einzulassen. Das ist mir letztens gründlich ausgetrieben worden. Ich will die Angelegenheit zur Abwechslung mal glatt und sauber und mit einem einzigen Schuss erledigen.«
»Das ist eine gute und professionelle Einstellung. Also: ein Schuss. Und Sie haben auch nicht vor, sich
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