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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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den Strafanzeigen auf, die er weiterzuleiten hatte. Eine lästige Tätigkeit, die in ihrer Sinnlosigkeit nur dem Hirn eines kranken Bürokraten entsprungen sein konnte. Warum schickte die Verkehrspolizei aus anderen Verwaltungsdistrikten ihre Anzeigen wegen Geschwindigkeitsübertretungen oder Falschparkens nicht direkt an die Fahrzeughalter? Nein, aus irgendeinem unerfindlichen Grund wurden alle Anzeigen aus ganz Italien, die Autofahrer mit Zulassung im Distrikt Alba betrafen, an dieses Büro weitergeleitet und von hier abgewickelt. Eine Art Amtshilfe für die Polizia Stradale. Un caso assurdo! Na egal, war nicht zu ändern.
    Er nahm den ersten Beleg. Soso, der Dottore Manotti. Eine Anzeige wegen nächtlichen Falschparkens in einer Straße, die nach seiner Kenntnis in Mailands verrufenstem Rotlichtmilieu lag. Ob er diesen Hinweis als Aktennotiz dazuheften sollte, als schönen Gruß an seine Frau? Viberti grinste hämisch, stempelte den Beleg ab, kopierte ihn für die Ablage und gab ihn in den Postausgang.
    Nun, was kommt als Nächstes? Al diàvolo! Diese Tätigkeit war ja heute wesentlich unterhaltsamer als sonst. Da hatte man doch Gianfranco Angelo, diesen alten Casanova, der so einfach seine Familie im Stich ließ, mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Viberti kicherte. Je älter, desto schneller. Wo war das gleich passiert? Superstrada 38 von Bozen nach Meran, kurz vor der Ausfahrt Andriano. In seinem roten Alfa Romeo 147. Una bella machina, die hatte er bei seinem Abschied auf Zeit mitgenommen, ebenso wie seine Ausweispapiere und Kreditkarten. Wahrscheinlich fehlten auch die Kondome aus dem Nachtkästchen, schließlich ließ es der gute alte Gianfranco jetzt richtig krachen. Viberti seufzte neidisch. Dann fiel ihm Carlotta ein, jenes von Gianfranco so sträflich vernachlässigte Vollweib in Asti. Was sprach dagegen, sie heute nach Dienstende erneut zu besuchen? So schlecht war der Tag vielleicht gar nicht, nein, falls Carlotta Zeit hatte, dann könnte er sich wirklich nicht beklagen. Und in diesem Fall war es auch besser, dass er sich mittags nicht den Magen voll geschlagen hatte.
    Viberti stand auf und machte neben dem Schreibtisch einige Kniebeugen. Was sollte er mit der Anzeige machen? Sie Fabri oder Luciana zustellen? Damit die beiden als Nächstes nach Südtirol fuhren, um wie in Venedig aufgescheucht nach Gianfranco zu suchen? Warum konnte man den alten Knaben nicht für eine gewisse Zeit in Ruhe lassen? Wahrscheinlich hatte er eine Freundin in Meran und wollte schnell hin. Wenn sie im Bett nur annähernd so leidenschaftlich war wie Carlotta, dann konnte er gut verstehen, dass Gianfranco die Geschwindigkeit übertrat. Dafür war er eigentlich erstaunlich langsam gefahren. Viberti nahm den Beleg, knüllte ihn zusammen und warf ihn in den Papierkorb. »Goditi la tua libertà, vecchio furfante. Genieße deine Freiheit, alter Gauner …«

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    B eim Flug mit der Alitalia von Florenz nach Palermo auf Sizilien genoss Serafino Panepinto den Blick auf die Landschaft, die unter ihm vorüberzog. Bei den grünen Hügeln von Umbrien dachte er an Orvieto*, allerdings nicht an die alte etruskische Stadt, sondern an den süffigen Weißwein, der ihm am besten »abbocato« schmeckte, also nicht ganz trocken, sondern mit einer leichten Restsüße. Weit rechts ahnte er die Albaner Berge. Ohne nachzudenken, assoziierte er Frascati*, ihm fiel der Est!Est!!Est!!!* ein vom weiter nördlich gelegenen Lago di Bolsena. Und die roten Dessertweine aus der Aleatico*-Traube.
    Vor ihm tauchte der Vesuv auf, die Häuserdächer von Neapel glitzerten in der Sonne. Wo andere Menschen vielleicht an Pompeji denken würden, an römische Bäder mit eindrucksvollen Fresken und Mosaiken, da dachte Panepinto wie automatisch an den Lacryma Christi del Vesuvio*, an die Träne Christi, die es als Bianco, Rosato und Rosso gab.
    Er stellte fest, dass die lange Arbeit im Weingewerbe, vor allem seine Tätigkeit für Lausitz, ihre Spuren hinterlassen hatte und seine Denkweise prägte. Man nannte das wohl eine Deformazione professionale. Nun, es konnte einem Schlimmeres passieren, als bei jeder Gelegenheit an Wein zu denken – und an schöne Frauen.
    Während es hinausging aufs offene Meer und die Stewardess irgendetwas von Schwimmwesten erzählte, die unter den Sitzen verstaut seien, blickte er die Küste entlang gen Süden, dort, wo das aufstrebende Weinbaugebiet Cilento* lag. Weiter unten käme die Stiefelspitze und damit Kalabrien, ein Weinland,

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