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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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sollte er schreiben? Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, denn immer wieder musste er an den gestrigen Tag denken. Ein Tag, der so hoffnungsvoll begonnen hatte, der ihn dann aber erneut hatte scheitern lassen. Sabrina schien einen ganz besonderen Schutzengel zu haben, einen vom Format eines heiligen Michael oder Sankt Raphael. Denn wie sonst hätte sie dieses Unglück überleben können? Ihm war noch vor Augen, mit welcher Gewalt die aus der Verankerung gerissenen Stahlseile ganze Baumwipfel gekappt hatten. Das war wirklich grandios gewesen, ein beeindruckendes Spektakel. Er hatte sich dann sehr schnell aus dem Staub gemacht, was auch richtig gewesen war, denn von der Alm aus, wo die Bretterbude der so genannten Bergstation zu Bruch gegangen war, hatte man sofort die Rettung und die Polizei verständigt. Er konnte sich noch gut an den schockähnlichen Zustand erinnern, als er Sabrina und Hipp einige Stunden später leicht humpelnd, aber ansonsten unversehrt in Naturns hatte aus der Apotheke kommen sehen.

    Auf der einen Ansichtskarte war das Grödnerjoch abgebildet, auf der anderen die Kapelle von Hafling. Ob es klug war, Ansichtskarten aus Südtirol zu schicken? Besonders klug oder besonders dumm? Er kam zum Schluss, dass es wohl egal war. Mit wem sollte er anfangen? Leicht fiel ihm keine der beiden Karten. Aber es war wichtig, dass die Familie ein Lebenszeichen erhielt. So viel konnte man erwarten. Er nahm die Karte vom Grödnerjoch, drehte sie um und begann zu schreiben.
    »Fabri, mein lieber Sohn. Die Wochen gehen ins Land, und immer noch genieße ich meine Freiheit. Ob du das verstehst? Ich hoffe es. In unserer Azienda hast du sicherlich alles im Griff, es verspricht ein gutes Weinjahr zu werden. Mir geht es von Tag zu Tag besser, ich fühle mich so jung und tatkräftig wie schon lange nicht mehr. Ich reise viel umher – und denke an euch. Bitte verzeih mir. Auf bald. Dein Vater.«
    Traurig betrachtete er die geschriebenen Zeilen. Zu seiner eigenen Überraschung musste er weinen. Er nahm ein Taschentuch und trocknete seine Augen. Und nun die andere Karte mit dem Bild der hübschen Kapelle. Das Motiv passte, Luciana liebte Kirchen in jeder Größe und Form. Er überlegte kurz, dann fing er an.
    »Luciana, meine liebe Frau. Ich weiß, dass ich dich maßlos enttäuscht habe. Aus tiefstem Herzen bitte ich um Vergebung, aber ich kann nicht anders. Gott sei Dank hast du Fabri, der dir in dieser schwierigen Zeit zur Seite steht. Du sollst wissen, dass es mir gut geht. Ich erhole mich von den langen Jahren schwerer Arbeit und fasse neuen Lebensmut. Ich werde wiederkommen, versprochen. Aber noch weiß ich nicht, wann. Ich nehme dich in die Arme. Küsschen. Dein Gianfranco.«
    Er dachte über das gegebene Versprechen nach. Dann nahm er die beiden Karten und steckte sie in die Jackentasche. Er würde sie später in den Briefkasten werfen. Und jetzt? Seine Freiheit, die würde er erst unbeschwert genießen können, wenn Sabrina nicht mehr am Leben war. Nachdem seine bisherigen Versuche gescheitert waren, beschloss er, so bald wie möglich alles auf eine Karte zu setzen. Er hatte weder die Zeit noch die Nerven, dieses Spiel endlos fortzuführen. Mit dem Jagdgewehr im Kofferraum des Wagens konnte er gut umgehen, sehr gut sogar, es hatte ein leistungsfähiges Zielfernrohr – und er verfügte über ausreichend Munition.

47
    M aresciallo Viberti war wieder einmal ausgesprochen schlecht gelaunt. Vor ihm lag der Faxausdruck des Mittagsmenüs seiner Lieblings-Osteria. Als Antipasti Patè di coniglio e barolo chinato, dann Crema di zucchine mit Mandeln, als Secondo Costata di vitello und zum Dessert Tiramisu allo zabajone ed amaretti. Eine halbe Flasche Barbera* inklusive. Bei ihm würde man sogar bei einer ganzen Flasche ein Auge zudrücken, das wusste er. Viberti nahm das Fax und zerriss es wehmütig in kleine Fetzen. Keine Antipasti, keine Crema di zucchine … Er hatte heute Mittag Bereitschaftsdienst. Der Maresciallo saß am Schreibtisch vor den Telefonen und wartete auf irgendeinen Notruf. Aber nichts geschah, gar nichts. Da hätte er auch zum Essen gehen können. Wenn später doch noch was passieren sollte, dann würde er körperlich geschwächt sein, aufgrund fortgesetzter Mangelernährung nur über ein eingeschränktes Leistungsvermögen verfügen. Aber das war dann nicht seine Schuld, sondern eine unmittelbare Folge dieses menschenunwürdigen Dienstplans.
    Um sich zu beschäftigen, schlug Viberti den Ordner mit

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