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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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sicher, ob das auch der Wahrheit entsprach.
    »Vermisst du mich?«
    Warum stellte Sabrina so eine abgedroschene Frage? Sollte er antworten, dass er sie nicht vermisse? Das wäre gelogen.
    »Wo bist du?«, versuchte er der Antwort mit einer Gegenfrage aus dem Weg zu gehen.
    »Ob du mich vermisst, wollte ich wissen.«
    Das hätte er sich denken können, sie ließ nicht locker.
    »Ein klein wenig, ja. Ich könnte jemanden gebrauchen, der in der Küche abspült.«
    »Du bist ein Idiot.«
    »Vielen Dank. Wie spät ist es bei dir? In Kalifornien muss es doch noch mitten in der Nacht sein?«
    »Stimmt, aber ich bin nicht in Kalifornien, sondern in New York.«
    »In New York? Was machst du denn dort? Dein Vater erwartet dich.«
    »Er weiß Bescheid, ich habe mit ihm telefoniert. Mir ist eingefallen, dass meine beste Freundin in New York lebt …«
    »Dir ist eingefallen?«
    »Ja, das ist doch schön, es geht voran. Ich bleibe zwei Tage bei Angelina, dann fliege ich weiter.«
    »Angelina?«
    »Ja, so heißt meine Freundin. Mach dir keine Gedanken, hier in New York bin ich vor Gianfranco genauso sicher wie daheim im Napa Valley.«
    »Das ist wohl richtig«, gab Hipp zu, »trotzdem …«
    »Ich möchte«, unterbrach ihn Sabrina, »endlich damit anfangen, wieder eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Und ich will jede noch so kleine Chance nutzen, meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.«
    »Das ist absolut okay. Wie ist sie so?«
    »Wer?«
    »Deine Freundin Angelina.«
    »Angelina? Sie ist wunderbar.«
    »Das freut mich. Übrigens …«
    »Ja?«
    »Ich habe eine Spülmaschine. Und ich würde gerne mit Angelina tauschen.«

61
    S eit über sechshundert Jahren sind in der Toskana die Marchesi Antinori* mit dem Weinbau befasst. Dass die Weinkellerei heute eine so herausragende Position einnimmt, verdankt sie aber nicht nur dieser langen Tradition, sondern vor allem der Spürnase von Marchese Piero Antinori. Mit dem Tignanello* setzte er sich in den siebziger Jahren mutig über alle Konventionen hinweg, verschnitt unbekümmert Sangiovese* mit Cabernet Sauvignon, damals eine Todsünde – und rief mit diesem schließlich viel gerühmten Edeltropfen die neue Gattung der Super-Toskaner ins Leben.

    Weil Dr. Lausitz nicht nur den Tignanello sehr schätzte, sondern fast noch mehr den bukettreichen Solaia*, bei dem der Cabernet gegenüber dem Sangiovese die erste Geige spielte, kehrte er, sozusagen aus Gründen der Referenz, aber auch, weil es ihm dort einfach gut gefiel, in Florenz mit schöner Regelmäßigkeit in der Cantinetta Antinori* ein. Dort konnte er sich glasweise durch die großen Weine des Hauses trinken, dabei gepflegt speisen und die geschäftlichen Dinge des Lebens vergessen. So hatte er das auch für heute geplant, aber dann hatte ihn vor einer Stunde Melissas Anruf erreicht. Es war geradezu unglaublich, was sie ihm erzählte. So phantastisch, dass er entschied, seinen erst kürzlich gefassten Entschluss außer Kraft zu setzen. Er würde doch noch einen Weintransporter aus dem Verkehr ziehen, allen Risiken zum Trotz. Schließlich gab es Chancen, die boten sich nur einmal im Leben, die durfte man sich nicht entgehen lassen. Die Lieferung, deren Versicherungsunterlagen Melissa nach dem Urlaub auf ihrem Tisch vorgefunden hatte, war für ihn vergleichbar mit der Gemäldesammlung in den Uffizien. Sozusagen von Botticelli über Caravaggio und Tizian bis zu Giotto und Leonardo da Vinci. In der Sprache der Bacchusjünger las sich das so: Sassicaia* von der Tenuta San Guido*, Solaia* und Tignanello* von Antinori*, Cepparello von Isole e Olena*, Darmagi von Angelo Gaja*, Vigneto Arborina von Elio Altare*, Siepi vom Castello Fonterutoli* … Die Crème de la Crème der italienischen Spitzenweine, Barolo*, Barbaresco*, Brunello* … In allen Fällen die besten Jahrgänge, dazu längst vom Markt verschwundene Raritäten, legendäre Klassiker aus der italienischen Ruhmeshalle des Weines, und als ob das noch nicht genug wäre, eine sündhaft teure Sammlung antiker Weingläser, von den Medici, aus dem Vatikan, alles für einen amerikanischen Milliardär, zusammengetragen in einem Castello bei Alba, versichert in Mailand, abgehend morgen früh auf einem Lastwagen mit Ziel Frachthafen Genua.

    Lausitz nahm einen Schluck vom sanft perlenden Millesimato, beugte sich nach vorne und sagte mit gedämpfter Stimme: »Serafino, das dürfen wir uns nicht entgehen lassen, du verstehst?«
    Panepinto nickte energisch. »Ma certo,

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